Fair und lokal essen macht glücklich

Sissach Am Forum der «Gmüeserei» diskutierten fünf Persönlichkeiten mit einer ganz besonderen Einstellung zum Essen

Simon Aeberhard, Sandra Knecht, Matthias Scheurer, Fred Frohofer, Rolf Wirz (v.l.). Foto: M. Schaffner
Simon Aeberhard, Sandra Knecht, Matthias Scheurer, Fred Frohofer, Rolf Wirz (v.l.). Foto: M. Schaffner

Ein Veganer, ein Jäger, ein Grossverteiler-Boykotteur, eine Essens-Künstlerin mit Schlacht-Erfahrung, ein Moderator, der einmal Biosuisse-Geschäftsführer war – in einer solchen Diskussionsrunde fliegen die Fetzen, müsste man denken. Aber es kam ganz anders am Forum der Genossenschaft «Gmüeserei», das letzte Woche in der Oberen Fabrik in Sissach stattfand.

Der erste Teil des sehr gut besuchten Podiums bestand nämlich aus einer freundlichen Annäherung ans Thema. Die Frage lautete: «Wie kann Essen glücklich machen?» Simon Aeberhard, Veganer und Aktivist, schwärmte etwa von einer preisgekrönten Londoner Pizza mit Cashew-Käse und von den italienischen Rezepten seiner «Nonna», die er nun «veganisiert». Fred Frohofer ernährt sich seit drei Jahrzehnten pflanzlich und bezieht seine Lebensmittel bei Produzenten, Händlern oder aus Anti-Foodwaste-Projekten. In der Küche experimentiert er gern und stellt Gerichte oft nach Farbe zusammen, etwa ein «knalloranges» Gericht aus Kürbis, Ingwer und Papaya aus einer «Gemüse-Rettung».

Sandra Knecht ist Gastronomin und Künstlerin. Ihre Kunstwerke sind Gerichte, die sie nur ein einziges Mal kocht und nach ganz speziellen Kriterien zusammenstellt. Dahinter steckt einiges an Reflexion und Recherchearbeit: So hat sie mithilfe einer Neurologin abgeklärt, dass ihr Gehirn 250 verschiedene Geschmäcker kennt. Sandra Knecht ernährt sich hauptsächlich aus dem eigenen Garten und Hühnerstall, isst nur noch selten Fleisch, und wenn, dann von eigenen Tieren.

Moderator Matthias Scheurer lotete mit seinen Fragen und Statements aus, wie viele Emotionen wir mit Essen verbinden. Glück, Trost, Geselligkeit, Kindheitserinnerungen spielen eine Rolle, aber auch Themen wie faire Produktion, Saisonalität und Lokalität.

Bezug zu Lebensmitteln fehlt

Es schien in der Luft zu liegen, dass alle Podiumsgäste Wert darauf legten, mit dem Essen bewusster umzugehen. Fred Frohofer beispielsweise, kann nicht mitansehen, wie Leute unterwegs gedankenlos «etwas in sich hineinstopfen». Rolf Wirz, nach eigener Aussage «leidenschaftlicher Jäger» und ebenso leidenschaftlicher Koch und Geniesser, brachte es auf den Punkt: «Die Leute haben den Bezug zu den Lebensmitteln verloren.» Er erzählte eine kleine Anekdote: Als er seinen Pick-up mit einem erlegten Wildschwein auf der Ladefläche parkiert habe, sei ein Paar an ihm vorbeigegangen, schwer beladen mit Einkaufstaschen voll mit abgepacktem Fleisch, und die Frau habe auf das tote Tier geschaut und mit klagender Stimme «Jöö» gesagt. Worauf Rolf Wirz entgegnete: «Das, was Sie in ihrer Einkaufstasche haben, war auch mal ?jöö?!»

Nur ein Luxusproblem?

Und so trat die Podiumsdiskussion in den zweiten Teil über, der mehr Brisanz barg. Es ging ums Schlachten, um Ökologie, um Ethik. Dagegen habe sich der erste Teil um «Luxusprobleme» gedreht, meine eine Frau aus dem Publikum.

Simon Aeberhard rückte einige Aussagen zum Thema Veganismus ins richtige Licht: Ja, Avocado-Plantagen würden sehr viel Wasser benötigen, aber das sei ein allgemeiner Food-Trend. In der Schweiz gebe es vielleicht ein Prozent Veganerinnen und Veganer – es könne ja nicht sein, dass sie all die Avocados ässen. «Du sicher nicht!», meinte Matthias Scheurer scherzhaft zu dem jungen, schlanken Mann.

Von Hühnern und Palmöl

Sandra Knecht warf sehr zugespitzte, aber auch sehr durchdachte Voten ein. So würde sie in Ägypten, wo Hühner zum Teil an einem Bein an den Märkten aufgehängt würden, auf Hühnerfleisch verzichten. Auch wenn sie damit Gastgeber vor den Kopf stossen würde.

Fred Frohofer erklärte den Zusammenhang zwischen dem Preisdruck, den die Grossverteiler beim Kalbfleisch auf die Bauern ausüben, und dem Milchkonsum: Nur wegen der Milch gebe es so viel Kalbfleisch, denn eine Kuh müsse gebären, um Milch liefern zu können. Mit Palmöl hat Frohofer übrigens kein Problem: «Ich kaufe keine Fertigprodukte.»

Gegen Ende der Veranstaltung wurde klar, warum die Diskussion in der Oberen Fabrik freundlich blieb. So unterschiedlich die Essgewohnheiten der Podiumsgäste sind, eines haben sie gemeinsam: Sie machen sich sehr viele Gedanken darüber, was und warum sie es essen. Lokal, ökologisch, tierleidfrei, aber auch Genuss und kulturelle Aspekte können Kriterien sein. «Die Frage ist, wo man die Grenze setzt – ganz perfekt kann man nicht sein», fasste Simon Aeberhard zusammen.

200 Mitglieder

Wer die «Gmüeserei» in Sissach noch nicht kennt: Sie ist eine Genossenschaft, der 200 Mitglieder angehören, die gemeinsam eine Gemüseanlage beim Ebenrain betreiben, wöchentlich Einkaufstaschen mit frischem Gemüse beziehen und zum grossen Teil selber stundenweise im Betrieb mithelfen.

gmueserei.ch

Weitere Artikel zu «Region Gelterkinden», die sie interessieren könnten

Region Gelterkinden27.03.2024

Rüstige Pensionierte helfen

Gelterkinden Jahresversammlung der Senioren für Senioren  
Region Gelterkinden27.03.2024

Soziales Engagement, gemeinsam Spass haben und sich weiterbilden

170. Jahresversammlung des Frauenvereins Gelterkinden  
Region Gelterkinden27.03.2024

Bunte Vielfalt an Waren

Sissach Frühlingsmarkt wieder ein gesellschaftlicher Treffpunkt mit Charme