Der Regen hielt sie nicht ab
Wiederbelebte Tradition Der erste «Volksmarsch» in Gelterkinden war ein Erfolg
Die älteren unter uns können sich vielleicht noch an die Zeit erinnern, als in vielen Gemeinden die sogenannten «Volksmärsche» durchgeführt wurden, gekennzeichnete Wanderungen, bei denen Punkte und Abzeichen gesammelt werden konnten. In den letzten Jahren sind die Aktivitäten in der Nordwestschweiz auf zwei Anlässe geschrumpft, in Laufen und Rothenfluh. Nun ist ein dritter dazugekommen: Die Gelterkinder Fasnachts-Kleinclique «Farnsburger-Geischter» lässt diese alte Tradition wieder aufleben. Die Premiere am vergangenen Wochenende war erfolgreich: Trotz schlechtem Wetter kamen am Samstag 120 und am Sonntag 211 Läufer/-innen.
Am Samstagmorgen trafen die Ersten, mit Regenschirm ausgestattet, beim Start in der Mehrzweckhalle ein. Nachdem sie ihre Startnummer und Stempelkarte erhalten hatten, konnten sie sich auf eine von drei Routen begeben: drei, sechs und zehn Kilometer standen zur Auswahl. Die Drei-Kilometer-Route war auch mit Rollator oder Rollstuhl machbar, die mittlere Route ging zum «Chöpfli» und wieder zurück, die lange führte durch den Wald und an der Stierenstallhütte vorbei. An den Kontrollpunkten konnten die Teilnehmenden ihre Karten lochen und zurück in der Mehrzweckhalle warteten gedeckte Tische, ein Verpflegungsangebot und eine Tombola auf sie.
In der Küche standen an den zwei Tagen die «Farnsburger-Geischter» mit ihren Helfenden. Für die kleine Familienclique war der Lauf eine gute Gelegenheit, ein bisschen Geld für die Cliquenkasse zu erwirtschaften. «Letztes Jahr haben wir es mit einem Spielnachmittag versucht, aber das hat nicht so geklappt», erzählt Präsident Markus Rudin. Dann sei die Idee aufgekommen, Wandertage zu organisieren.
Die «Farnsburger-Geischter» sind nämlich Wanderfans und Mitglieder im Wanderverein Rothenfluh, der seinerseits an den Läufen des Volkssportverbands Schweiz-Liechtenstein (VSL) teilnimmt und 2024 in der Gruppenwertung den Rang 24 erreicht hat. Aus Erfahrung wussten sie, dass Wandergruppen aus der ganzen Schweiz an die VSL-Wanderungen gehen, um Punkte zu sammeln – egal, wie das Wetter ist.
Das Risiko war also überschaubar. Beträchtlich war allerdings der Aufwand, den die Clique im Vorfeld leisten musste. Ein halbes Jahr im Voraus habe die Planung angefangen, von den Bewilligungen bis zur Sponsorensuche für die Tombola, berichtet Markus Rudin. Um die Strecken und die Turnhalle einzurichten, sei etwa eine Woche nötig gewesen.
Auch Regionale nahmen teil
Für Gelterkinden war die VSL-Wanderung ein Novum – Markus Rudin kann sich nicht erinnern, dass in Gelterkinden je ein Volksmarsch stattgefunden hat. Deshalb habe Erklärungsbedarf bestanden. Weil die Wanderungen als «Lauf» bezeichnet werden, hätten einige Leute gedacht, dass Strassen gesperrt werden müssten. Das war aber nicht der Fall, es musste lediglich ein Konzept bei der Gemeinde eingereicht werden. Da alles innerhalb des Gemeindebanns stattfand, war keine kantonale Bewilligung nötig.
Die kleineren und grösseren Wandergruppen – aus Orten wie Frauenfeld oder Niedergösgen – machten sich an den zwei Tagen selbstständig auf den Weg. Überrascht war Markus Rudin, dass sich auch einige Familien und Bekannte aus der Region Gelterkinden anschlossen. An den Volksmärschen könnten prinzipiell alle teilnehmen, auch wenn sie nicht in einem Wanderverein seien, aber solche Einzelläufer seien eher rückläufig.
In Gelterkinden gab es Gruppenpreise für den ersten bis vierten Rang zu gewinnen. Hauptsächlich ging es aber um die Punkte: einen halben für die Drei-, einen ganzen für die Sechs- und zwei für die Zehn-Kilometer-Strecke. Neben der nationalen Gruppenwertung gibt es auch internationale Wertungen im Rahmen des Internationalen Volkssport-Verbands (IVV) sowie eine Einzel-Rangliste.
Insgesamt werden in der Schweiz noch rund 30 VSL-Läufe angeboten. Die Zahl gehe immer mehr zurück und Wandervereine würden sich auflösen, stellt Markus Rudin fest. Das sei der Grund, warum sich seine Clique entschlossen habe, dem Aussterben der Volksmärsche entgegenzuwirken. «Wir haben ja in Gelterkinden einen Verein, der alte Bräuche und Traditionen wieder aufleben lässt, deshalb dachten wir, das passt gut zu ‹Gelti›», sagt Markus Rudin. Ihm selber gehe es nicht ums Gewinnen, sondern ums Zusammenkommen und um die Freundschaften. «Im Gesamten gesehen waren die Wandertage ein toller Erfolg», hält Markus Rudin abschliessend fest. Die nächsten sollen am 30. und 31. Mai 2026 stattfinden.