Der Mundart-Literat und sein Idol

Liestal Ausstellung zu Jonas Breitenstein und Johann Peter Hebel im Dichter- und Stadtmuseum

Die Neuedition hat in den letzten Jahren einen kleinen Breitenstein-Boom ausgelöst. Foto: M. Schaffner
Die Neuedition hat in den letzten Jahren einen kleinen Breitenstein-Boom ausgelöst. Foto: M. Schaffner

Auf Mundart zu schreiben ist heute nicht nur selbstverständlich, sondern auch «cool». Junge und Ältere tun es, zum Beispiel in ihren Whatsapp-Nachrichten, auf Facebook und auf Twitter. In früheren Zeiten war das alles ganz anders: Selbst in persönlichen Briefen hielt man sich an die Schriftsprache, in literarischen Formen wie Gedichten und Erzählungen sowieso. Der erste Baselbieter, der Literatur auf Mundart veröffentlichte, war Jonas Breitenstein (1828–1877), der in Ziefen geborene «Dichterpfarrer». Er nimmt daher eine bedeutende Vorreiterrolle ein: «Denken Sie an Volkstheater oder Schnitzelbänke – er war der Vater dieser ganzen Bewegung», sagt Stefan Hess, Leiter des Dichter- und Stadtmuseums Liestal.

Dabei war Jonas Breitenstein bisher noch kaum bekannt. Auch Hess selber war nicht gross vertraut mit ihm, als er 2012 zum Dichtermuseum kam. Erst als ihn Maja Samimi vom Ortsmuseum Binningen kontaktierte – Jonas Breitenstein war Pfarrer in Binningen, sein Nachlass befindet sich aber in Liestal –, befasste er sich näher mit dem Baselbieter Dichter. Aus der Zusammenarbeit entstand in den folgenden sechs Jahren eine vierbändige Werkausgabe mit drei literarischen Bänden und einem 800-seitigen Briefband. Stefan Hess war schnell von den literarischen Qualitäten von Jonas Breitenstein überzeugt: «Er ist einer der beachtlichsten, einer der besten Schriftsteller, die das Baselbiet hervorgebracht hat.» Mittlerweile habe Jonas Breitenstein «eine kleine Fangemeinde» bekommen, stellt Stefan Hess fest.

Eine Doppelausstellung

Seit Erscheinen der Gesamtedition werden Vorträge zu Jonas Breitenstein gehalten, ein Verein wurde gegründet, in Ziefen wurde eine Gedenktafel installiert, ein Jonas-Breitenstein-Film ist in Planung – und seit dieser Woche gibt das Dichter- und Stadtmuseum Liestal erstmals einen etwas grösseren Einblick in seinen Breitenstein-Bestand.

Eigentlich handelt es sich bei «Zeitzeugen und Pioniere der Mundartdichtung. Jonas Breitenstein und sein Vorbild Johann Peter Hebel» um eine Doppelausstellung. Die Wände im ersten Stock sind mit informativen Panels zu Johann Peter Hebel bestückt; in einer Glasvitrine sind Originalschriften, Zeichnungen und andere Dokumente zu Jonas Breitenstein ausgestellt. So kann man etwa handgeschriebe Seiten von «Der Her Ehrli» (1863) und «’S Vreneli us der Bluemmatt» (1864) lesen. Wer etwas mehr Zeit mitbringt, kann es sich auf zwei Sofas gemütlich machen und einen Band aus der aktuellen Edition zur Hand nehmen oder Breitenstein- und Hebel-Texte an Hörstationen entdecken. Und wenn man sowieso schon da ist: Im zweiten Stock, gleich links nach dem Treppenaufgang, befindet sich die kleine Breitenstein-Nische der Dauerausstellung des Dichtermuseums mit weiteren Infos und Schriftstücken.

Der – viel bekanntere – Johann Peter Hebel (geboren 1760 in Basel, gestorben 1826 in Schwetzingen/Baden-Württemberg) nimmt in der Ausstellung jedoch den meisten Raum ein. Damit hat es folgende Bewandtnis: Vor eineinhalb Jahren zeigte das Dreiländermuseum in Lörrach die Ausstellung «Schweizerreise – Johann Peter Hebel als Aufklärer». Als Stefan Hess erfuhr, dass diese als Wanderausstellung «zu haben» ist, dachte er sofort an die Verbindung der beiden Schriftsteller. Hebel ist zwar zwei Jahre vor der Geburt von Breitenstein gestorben, aber es gibt enge Verknüpfungen: «Literarisch bewegt sich Breitenstein in den Fussstapfen von Hebel», erklärt Stefan Hess. Eine Doppelausstellung sei ausserdem eine gute Gelegenheit, den aufgearbeiteten Nachlass von Breitenstein in Liestal zu präsentieren.

Breitenstein war Hebel-Fan

Von Johann Peter Hebels Schweiz-Reisebericht lassen sich zahlreiche Parallelen zu Jonas Breitenstein ziehen, der seinerseits Deutschland bereist hat. Beide lästern über Wirtsleute oder beschreiben die rustikalen Schweizer auf ähnliche Weise.

«Breitenstein war wirklich ein Verehrer von Hebel», betont Stefan Hess. Er habe nie von «Baselbieter Mundart» geredet, sondern von «Alemannisch» – eine deutliche, damals klar erkennbare Anspielung auf Hebels «Alemannische Gedichte». Wobei auch die Schweizer Dialekte zum «Alemannischen» gehörren, wie Stefan Hess bemerkt. Im 19.Jahrhundert sei Hebel ein absoluter «Kultautor» gewesen, viele Menschen hätten dutzende seiner Gedichte auswendig gekonnt – wie etwa Jonas Breitensteins Vater, der in einen Brief an seinen Sohn, zu sehen in der Vitrine in Liestal, ein Hebel-Zitat einschob. «Das hat er sicher nicht abgeschrieben», ist Stefan Hess überzeugt.

Die Ausstellung dauert bis zum 14. Juni 2020 und wird von einem vielseitigen Rahmenprogramm begleitet.

www.dichtermuseum.ch

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