Baumriesen mussten der Kantonsstrasse weichen

Reigoldswil Baum- und Gartenensemble wurde gerodet

Ein verloren gegangener Anblick: Die 150 Jahre alten Bäume hatten das Ortsbild von Reigoldswil über Generationen hinweg geprägt.Fotos: zVg

Ein verloren gegangener Anblick: Die 150 Jahre alten Bäume hatten das Ortsbild von Reigoldswil über Generationen hinweg geprägt.Fotos: zVg

Auch wenn ein Teil des Gartens mit den wertvollen Pflanzen erhalten bleibt – so wie auf diesem Foto wird er nie mehr aussehen.

Auch wenn ein Teil des Gartens mit den wertvollen Pflanzen erhalten bleibt – so wie auf diesem Foto wird er nie mehr aussehen.

Wenn Sie diese Zeilen lesen, werden die zwei 150 Jahre alten Scheinzypressen, die über Generationen hinweg das Ortsbild von Reigoldswil geprägt haben, gefällt sein. Auch der historische Garten des Hauses «zum Reifenstein», wie er im Bild unten zu sehen ist, wird nicht mehr in dieser Form existieren. Die Baumriesen und ein Teil des Garten fallen der Sanierung der Kantonsstrasse zum Opfer – am Dienstag und Mittwoch wurde die betroffene Fläche gerodet.

Wie das 1840 erbaute Wohnhaus standen auch das Gartenensemble und die Bäume unter Schutz, weil sie als ästhetisch, kulturell und ökologisch besonders wertvoll angesehen wurden. Jedenfalls so lange, «bis das Tiefbauamt des Kantons entgegen der Fachstelle für Ortsbildschutz eine andere Leseart durchgesetzt hat», wie der Land- und Baumbesitzer Daniel Zehntner bedauert. Obwohl er zu jeder nachhaltigen Lösung Hand geboten hätte, seien alternative Möglichkeiten nicht in Betracht gezogen worden, kritisiert er.

Das Haus «zum Reifenstein», in dem Daniel Zehntner aufgewachsen ist, hatte sein Ur-ur-urgrossvater gebaut. Dessen Sohn betrieb dort eine Landarztpraxis, und dessen Sohn wiederum – der Urgrossonkel von Daniel Zehntner – war der Naturforscher Leo Zehntner (1864–1961). «Er hat in meinem Bruder und mir, wir beide noch im frühen Kindesalter, mit kleinen geologischen Expeditionen in der nächsten Umgebung das Interesse für die wunderbare Natur geweckt», erinnert sich Daniel Zehntner. Leo Zehntner war es auch, der die beiden eindrucksvollen Scheinzypressen gepflanzt hat.

Daniel Zehntner wendet sich nun an die Medien, um zum Nachdenken anzuregen: «Ist es nicht verrückt, einem überkommenen Mobilitätsverständnis solche Naturwunder zu opfern – das in einer Zeit, da der Klimawandel endlich das öffentliche Bewusstsein erreicht hat?»

Gegen die Strassensanierung an sich habe er überhaupt nichts, insbesondere nicht gegen die Verbesserung der Fussgängersituation. Aber es mache keinen Sinn, mit der Baumfällung eine solche «Schneise» ins Dorf zu ziehen. Es handle sich nicht um eine Durchgangsstrasse, und es sei denkbar, dass in diesem Bereich in einigen Jahren Tempo 30 eingeführt werde. Anstelle einer Rodung wäre auch eine Verengung möglich gewesen, meint Daniel Zehntner, oder die Fussgänger hätten um die Bäume herum geführt werden können.

Die kantonale Ortsbildpflege sei zwar auf seiner Seite gestanden, aber das Strassenbauprojekt habe Vorrang gehabt, berichtet Daniel Zehntner. Leider war die betreffende Kontaktperson bei der Kantonalen Denkmalpflege für die «ObZ» vor Redaktionsschluss nicht erreichbar.

Im Kontext des Hochwasserschutzes

Urs Oberli, Projektleiter Strassenbau beim Tiefbauamt, bedauert es ebenfalls, dass die Bäume gefällt werden mussten. Alternativen wie beispielsweise eine Umfahrung seien geprüft worden. Auch ein Gespräch mit den Anwohnenden und mit der kantonalen Denkmalpflege habe stattgefunden: «Wir haben eine Einvernehmlichkeit angestrebt und nach Lösungen gesucht, die quasi für alle vertretbar sind», betont Urs Oberli. Aber letztlich sei es eine Platzmangelfrage gewesen.

Das ganze Projekt muss unter dem Zeichen des Hochwasserschutzes betrachtet werden: Die Hintere Frenke wird abgesenkt und verbreitert, damit sie auch ein «Jahrhunderthochwasser» bewältigen könnte. Der Bereich bei der Parzelle Zehntner, wo das Wolbächli in die Hintere Frenke fliesst, ist die engste Stelle des ganzen Projektes. Zudem erhält die Strasse ein Trottoir und einen beidseitigen Radstreifen. Und auf der anderen Seite der Strasse und des Bachs hat der Kanton bereits Land von den Anwohnern erwerben müssen. «Das Ganze wird mehr oder weniger halbiert, beide verlieren Land», erklärt Urs Oberli. Allen Bemühungen zum Trotz sei es somit unumgänglich gewesen, die zwei Bäume zu fällen.

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