Eine Frage des musikalischen Überlebens

Waldenburg Chor Odessa Perlen kriegsbedingt verstreut

Sopranistin Anna Herbst macht sich grosse Sorgen.Foto: S. van riemsdijk

Sopranistin Anna Herbst macht sich grosse Sorgen.Foto: S. van riemsdijk

Der Chor ist schon in vielen Ländern erfolgreich aufgetreten. Foto: zvg

Der Chor ist schon in vielen Ländern erfolgreich aufgetreten. Foto: zvg

Seit dem 24. Februar 2022 herrscht Krieg in der Ukraine. Tagtäglich werden wir mit den emotionalen und zugleich schrecklichen Bildern konfrontiert. ­Momentan konzentrieren sich die militärischen Auseinandersetzungen auf dem östlichen Teil der Ukraine. Allmählich verlagern sich diese jedoch Richtung Westen, in Richtung der Hafenstadt Odessa. Diese Stadt beherbergt den im Oberbaselbiet durch seine vielen stimmigen Konzerte bekannten Kinder- und Jugendchor Odessa Perlen. Seit etwa vier Jahren erobert der Chor mit seinen stimmgewaltigen Performances die ­Herzen der Menschen im Baselland. ­Initiantin dieser jährlichen Konzertreihe ist Anna Herbst, gebürtige Ukrainerin, Sopranistin, Präsidentin und Gründerin des Kulturclubs Kirschgarten aus Waldenburg vor fünf Jahren. Der Kulturclub versteht sich als Brückenbauer in musikalischem und zwischenmenschlichem Sinne zwischen Ost- und Westeuropa und setzt sich für das gegenseitige Verständnis unter diesen Völkern ein, wie Anna Herbst erläutert.

Unser Leben ist Musik

Die letzte Konzertreihe mit dem Titel «Musikalische Weltreise 2021» in vier Gemeinden endete im September 2021 mit ihren Worten: «Unser Leben ist ­Musik, Musik ist unser Leben.» Jetzt, wo die Menschen in Odessa um ihr Leben fürchten müssen und an Musik kaum mehr zu denken ist, macht sie sich um «ihre» Kinder grosse Sorgen. Sie hat nicht nur die Konzerte organisiert, sondern diese mit ihrem klangvollen Sologesang begleitet. Fast täglich steht sie mit Larissa Garbuz, Chordirigentin und Gründerin des Chors, in telefonischem Kontakt und informiert sich so über das Wohlbefinden der Chormitglieder. Anna Herbst hat früher in der Ukraine fünf Jahre zusammen mit Larissa Garbuz in einem Chor gesungen und daraus ist die bis heute fortdauernde enge Beziehung entstanden.

Die Gruppe wird von den Eltern begleitet

Die Erfolgsgeschichte des Kinderchors Odessa Perlen hat vor etwa 30 Jahren seinen Anfang genommen, als Larissa Garbuz an der Musikhochschule in Odessa von Grund auf den Chor aufgebaut hat. Noch heute singen Kinder aus der unterdessen zweiten und dritten Generation von den damaligen Sängerinnen und Sängern im Chor. «Sie hat nichts geschenkt bekommen und hat quasi bei null angefangen», umschreibt Anna Herbst würdigend die Leistung von Larissa Garbuz. Die musikalische Schulung der Kinder ist sehr intensiv und setzt sich aus zweimal Chorunterricht pro Woche, einmal in der Woche eine Choreografiestunde und regelmässig einzelne Gesangstunden zusammen. Die Odessa-Perlen-Gruppe ist unterdessen mit 60 Kindern und Jugendlichen besetzt und sie hat es in der Ukraine und in Europa zur grossen Berühmtheit ­gebracht. Für die Konzerte in der Schweiz kommen jeweils etwa 30 Kinder und Jugendliche – und werden dabei von ihren Eltern begleitet. Sie verbleiben dann unter anderem im Seminarhotel Leuenberg in Hölstein. Die Mädchen können bis im Erwachsenenalter im Chor bleiben, die Jungen müssen meistens im Alter von etwa vierzehn Jahren die Gruppe wegen des Stimmbruchs ­wieder verlassen.

Kinder und Jugendliche sind geflüchtet

In den letzten Jahren führte seine Bekanntheit den Chor in Länder wie Korea, Mauritius und in viele Länder in Europa. Davon kann jetzt nicht die Rede sein. Auch wenn Odessa bis jetzt vom Krieg mehr oder weniger verschont geblieben ist, sind viele Kinder und Jugendliche geflüchtet und halten sich momentan verstreut in vielen Städten in Europa – in unter anderem Österreich, Bulgarien und Tschechien – auf.

Ein Knabe hat es sogar geschafft, in den Chor der Wiener Sängerknaben aufgenommen zu werden. Larissa Garbuz hatte sich bis zuletzt in Odessa aufgehalten, sah sich jedoch gezwungen, jetzt, wo der Krieg immer näherkommt, mit der zweiten Flüchtlingswelle die Stadt zu verlassen. Seit einigen Tagen weilt sie in Rumänien. Für Anna Herbst steht fest, dass die Konzertauftritte irgendwann nach Kriegsende wieder aufgenommen werden. «Wenn der Krieg vorbei ist und ich hoffe, dass dies im Sommer ist, werden mit Sicherheit alle wieder heimkehren.»

Einladungen für künftige Auftritte sind zwar ­bereits wieder eingetroffen, da unklar ist, wann der Krieg beendet wird, ­können keine Zusage gemacht werden. Auch nicht für die beliebten Konzerte im ­Baselland.

Bis es so weit ist, versucht der Chor, sich irgendwie finanziell über Wasser zu halten. Mit Benefizkonzerten in der Schweiz, wie das vom «Calicantus Children’s Choir» im Tessin, versucht Anna Herbst, in irgendeiner Form dem zerstreuten Chor materielle Unterstützung zu bieten.

Spenden sind daher herzlich willkommen: Kulturclub Kirschgarten. IBAN: CH29 0076 9431 6228 7200 1.

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