Nicht aus Spass, aus Notwendigkeit
Fasnachtsverbote Regierungsrat appelliert an Solidarität mit älterer Bevölkerung
Am Freitagvormittag verbot der Bundesrat zum Schutz vor einer Ausbreitung des Corona-Virus alle Veranstaltungen mit mehr als 1000 Personen. Kurz darauf zog der Kanton Baselland eine weitere Schwelle: Anlässe mit mehr als 200 Personen bedürfen einer kantonalen Bewilligung. Doch es hielten sich nicht alle daran – in Liestal und Sissach kam es trotz allem zu grösseren Menschenansammlungen. (Siehe weitere Berichte in dieser Zeitung.)
Der Polizei gelang es nicht, die Versammlungen verbal aufzulösen. Deshalb griff der Regierungsrat zur nächsten «Eskalationsstufe», um die Bevölkerung zu schützen: Er drehte den Alkohol-Hahn zu. Von Sonntagabend bis Montagmorgen herrschte Ausschankverbot in Restaurants, Wagenburgen und Cliquenkellern, wie Sicherheitsdirektorin Kathrin Schweizer am Montagvormittag an einer Medienkonferenz in Liestal resümierte. Auch den Detailhändlern sei der Verkauf von Alkohol untersagt worden und Freinachtbewilligungen seien aufgehoben worden. «Das war die mildeste mögliche Massnahme, um den Zweck zu erreichen», ergänzte Regierungspräsident Isaac Reber.
Pfefferspray und Loch in Scheibe
Vereinzelt schlug der Polizei am Sonntag aggressives Verhalten entgegen, wie Polizeikommandant Mark Burkhard berichtete. In Sissach sei mit Fusstritten und Gegenständen auf Polizeiautos eingewirkt worden, wobei eine Heckscheibe zu Bruch gegangen sei. In der Nähe des Bahnhofs hätten sich etwa 500 Personen aufgehalten und wegen der aufgeheizten Stimmung hätten zwei Lokale nicht auf das Ausschankverbot hin kontrolliert werden können.
In Liestal kam es in einem Restaurant zu einer hitzigen Situation, in deren Verlauf die Polizei Reizstoff einsetzte. Eine alkoholisierte Person sei angehalten worden und es seien Anzeigen wegen Nichteinhalten des Regierungsratsbeschlusses, Gewalt und Drohung gegen Beamte sowie Überwirten erstattet worden, teilte Mark Burkhard mit.
Auch wenn in einer Beiz weniger als 200 Personen Platz hätten, müsse man die Personen, die sich ausserhalb aufhielten, auch zum Anlass dazu zählen, fügte der Polizeikommandant hinzu: «Es war nicht so, dass man isoliert im Restaurant gesessen ist, sondern die Leute sind mit Stapeln von Pizzakartons hinausgegangen.» Auch im Waldenburgertal wurde am Sonntag Fasnacht gefeiert, allerdings in einem viel geringeren Ausmass. Der Polizei liege dazu keine Meldung vor, sagte Mark Burkhard an der Medienkonferenz.
Bei einer Hotline für Veranstalter gingen am Wochenende 148 Anfragen ein, berichtete Patrik Reiniger, Leiter des kantonalen Krisenstabs. Daraus resultierten 29 Gesuche für Veranstaltungen über 200 Personen, von denen sieben genehmigt wurden; zehn Veranstaltungen erhielten keine Bewilligungen, zwölf Gesuche waren bis Montag noch offen. Zu den bewilligten Veranstaltungen gehörten eine Eisdisco und ein Hockeymatch in Sissach und der Fackelumzug in Pratteln.
Isaac Reber kritisierte das Geschehene in Sissach und Liestal scharf: «Die Toleranzgrenze ist überschritten worden.» Leider habe es an gesundem Menschenverstand gemangelt – es gebe kein absolutes Recht auf Fasnacht. Die Einschränkungen würden nicht aus Spass auferlegt, sondern aus Notwendigkeit.
Oder in den Worten von Gesundheitsdirektor Thomas Weber: «Die eigentliche Spassbremse ist das Corona-Virus.» Niemandem falle es leicht, Anlässe zu verhindern. Aber es sei ein Akt der Solidarität, insbesondere mit der älteren Bevölkerung. Diese sei stärker vom Ansteckungsrisiko und von der Mortalität der Krankheit betroffen als der Rest der Gesellschaft.
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