Viele Gefahren für unsere Fledermäuse

Artenvielfalt Im Oberbaselbiet sind seltene Arten zuhause – aber menschgemachte Probleme setzen sie unter Druck

Die Zwergfledermaus ist die häufigste Art und typisch für den Siedlungsraum.Foto: zVg
Die Zwergfledermaus ist die häufigste Art und typisch für den Siedlungsraum.Foto: zVg

Vor einiger Zeit hat die ObZ über eine private Klein-Windkraftanlage in Liestal berichtet. Solche Windräder liefern elektrische Energie und können eine sinnvolle Ergänzung zu Solaranlagen sein. Sie bieten aber auch Konfliktpotenzial, weshalb umfangreiche Abklärungen getroffen werden, bevor eine Baubewilligung erteilt wird. Einer dieser möglichen Konflikte dreht sich um eine «Ansprechgruppe», die man selten zu Gesicht bekommt: die Fledermäuse.

«Bei Windkraftanlagen, auch kleinen, braucht es an heiklen Standorten eine Vorabklärung, ob Fledermäuse zu Schaden kommen könnten», sagt Céline Martinez, die Leiterin der kantonalen Fledermauskoordinationsstelle. Im Auftrag des Kantons, Ebenrain-Zentrum für Landwirtschaft, Natur und Ernährung, gibt sie zu den geplanten Bauprojekten eine Einschätzung ab, ob sie tragbar sind. «Es ist nicht so, dass man Windräder einfach aufstellen kann», betont sie. Es werde darauf geachtet, ob es Fledermauskolonien in der Nähe habe und ob sich das Windrad in der Nähe von potenziell wichtigen Flugstrukturen befinde.

Auch im erwähnten Fall von Liestal war sie vor Ort und hat ihre Einschätzung abgegeben. Ihr Fazit: Dieser Fall ist nicht problematisch. Aber prinzipiell hätten Windräder schon das Potenzial, ein weiteres Rädchen – wortwörtlich – in der ganzen Bedrohungssituation für die Fledermäuse zu spielen, meint Céline Martinez. Mit zunehmendem Siedlungsdruck und Lichtemissionen werde die Lage besonders für sensible Fledermausarten immer schwieriger.

Dass Fledermäuse gefährdet sind, hat aber – nebst Windrädern – viele diverse Ursachen. Dazu gehören für den Winterschlaf zu warme Winter und die zunehmende Hitze im Sommer. Für gewisse Arten könnte sie laut Céline Martinez während der Jungenaufzuchtszeit durchaus ein Problem werden, etwa wenn sich ein Fledermausquartier in einem kleinen Dachstock oder in einem Zwischendach befindet. Wenn es dort plötzlich zu heiss wird, kann es sein, dass die Fledermausmutter ihr Junges, das noch nicht flugfähig ist, verlassen muss, um das eigene Leben zu retten.

Je nach Population und Art verstärkt das den ohnehin herrschenden Mangel an geeigneten Quartieren. Bei starker Trockenheit kann auch Futtermangel auftreten.

Weitere menschliche Einflüsse auf den Lebensraum

Sanierungen, Dachstockausbauten und Baumfällungen verschärfen den Quartiermangel laufend, während der Einsatz von Insektiziden zu Futtermangel führt. Auch die Veränderung der Landschaft hat einen Einfluss: «In einer strukturarmen und eintönige Kulturlandschaft können sich Fledermäuse ausserdem nicht gut orientieren und meiden diese offenen Flächen ohne Orientierungspunkte», erklärt Céline Martinez.

Dazu kommen menschgemachte Hindernisse wie Strassen oder die Lichtverschmutzung: Sie zerschneiden die Flugkorridore, die Teillebensräume wie Jagdgebiet, Sommer- und Winterquartiere miteinander verbinden.

Je nach Art und Lebensweise kämen ganz spezifische Gefährdungsursachen hinzu, ergänzt Céline Martinez. Für die Langohrfledermäuse beispielsweise ist es tragisch, wenn ein Hochstammobstgarten verschwindet und sie dadurch ihr Jagdgebiet verlieren. Oder wenn ein historisches Gebäude nachts beleuchtet wird und dadurch ihr Quartier nicht mehr genutzt werden kann. Lokal können auch Hauskatzen zu einem Problem für einzelne Kolonien werden, weiss die Fledermauskoordinatorin.

«Das Tragische bei hohen Sterblichkeiten ist, dass ein Fledermausweibchen pro Jahr nur ein Jungtier bekommt, und auch das nicht jeder Jahr», betont Céline Martinez. «Fledermauspopulation wachsen und erholen sich deswegen nur sehr langsam.»

Rund 20 Fledermausarten im Oberbaselbiet

Von den 30 einheimischen Fledermausarten sind 18 Arten im Oberbaselbiet nachgewiesen. Céline Martinez rechnet – aufgrund der zum Teil doch noch vorhandenen Landschaftsstrukturen – sogar mit rund 20 Arten, die tatsächlich vorhanden sind.

Einige Arten sind sehr selten und stark bedroht. Céline Martinez hebt speziell das Braune Langohr hervor, das in seinem Bestand als «verletzlich» eingestuft ist, sowie das vom Aussterben bedrohte Graue Langohr. «Diese Arten jagen bevorzugt auch in Hochstammobstgärten, welche für das Oberbaselbiet prägend sind und kommen im gesamtschweizerischen Vergleich hier noch häufiger als in anderen Regionen vor», stellt die Fledermausexpertin fest.

Langohrfledermäuse richten ihre Quartiere bevorzugt in nicht ausgebauten Dachstöcken ein und reagieren äusserst empfindlich auf Kunstlicht. «Wir sind ständig auf der Suche nach Quartieren dieser äusserst seltenen Arten, damit wir diese schützen können», erzählt Céline Martinez. Wer in seinem Dachstock trockene, zwischen den Fingern zerreibbare «Kotchegeli» finde, dürfe sich sehr gerne melden. Der Kanton habe neu einen Aktionsplan für Langohrfledermäuse als Grundlage für einen besseren Schutz dieser seltenen Arten erstellt.

Eine weitere seltene Art, die Kleine Hufeisennase, scheint jedoch im Oberbaselbiet ausgestorben zu sein, wohl durch den Einsatz des Insektizids DDT, vermutet Céline Martinez. Die letzten Nachweise aus dem Oberbaselbiet würden aus der Mitte des 20. Jahrhunderts stammen. Trotz der Überwachung mehrerer Überwinterungshöhlen sei diese Art in den letzten nicht mehr nachgewiesen worden. Auch im angrenzenden Fricktal gelte sie als ausgestorben, während sie im Laufental überlebt habe.

Waldränder und Gewässer für Beobachtung geeignet

Während die Populationen von stark bedrohten Arten zum Teil sehr lokal vorkommen, sind die weniger gefährdeten Arten über die ganze Region verteilt. Fledermäuse sind deshalb im gesamten Oberbaselbiet anzutreffen. Zum Teil haben sich die Arten auf bestimmte Lebensräume spezialisiert wie etwa die Zwergfledermaus, die lichttolerant ist und in Siedlungsräumen vorkommt. Typische Kulturfolger sind auch die Weissrandfledermäuse. Diese wärmeliebende Art sei auch in grösseren Ortschaften wie Liestal oder Sissach bei der Jagd um Strassenlampen zu beobachten, sagt Céline Martinez. Über stehenden Gewässern jage die Wasserfledermaus und im Wald suche das Grosse Mausohr nach Laufkäfern. Für die Beobachtung von jagenden Tieren seien gut vernetzte und strukturreiche Waldränder sowie grössere stehende und langsam fliessende Gewässer geeignet.

Verein für Fledermausschutz der Region Basel: www.fledermaus.ch; Int. Fledermausnacht, 26.8.: www.meriangärten.ch

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