Geld beherrscht den Geist

Sissach Theaterstück «Geld und Geist» hatte Premiere  

Zwei Familien bekämpfen sich im behäbigen Emmental bis aufs Blut. Fotos: S. van Riemsdijk

Zwei Familien bekämpfen sich im behäbigen Emmental bis aufs Blut. Fotos: S. van Riemsdijk

Es gelang dem Schauspielerensemble die Charakterrollen überzeugend zu verkörpern.

Es gelang dem Schauspielerensemble die Charakterrollen überzeugend zu verkörpern.

«Ist einem Menschen Geld sein Götze, so opfert er ihm Leben, Ehre und Kinder.» Dieses Zitat von Jeremias Gotthelf zu seinem Roman «Geld und Geist» von 1842 auf dem das gleichnamige Freilichttheaterstück basiert, welches am 1. September in Sissach seine nahezu ausverkaufte Premiere hatte, behandelt die Frage, was die Geldgier mit dem Menschen macht in einer Zeit von gesellschaftlichen Umbrüchen. Und ist durchaus auf die heutige Zeit übertragbar, in der die Menschen Angst vor dem Fremden und dem Verlust einer vermeintlichen Idylle haben. So enthält das Theaterstück, welches auf mehrere Tage verteilt an zentralem Ort auf dem Cheesmeyer-Areal in Sissach und mit einem Hauch von geschichtlicher Ambiance, eingerahmt von der «alten Metzg» und dem historischen Schopf, aufgeführt wird, eine durchaus zeitgemässe Komponente.

Eine vermeintliche Idylle

Die Aufführung bietet einen einzigartigen Einblick in die Gedankenwelt der Menschen in der damaligen Zeit, deren Leben geprägt war von einer solchen vermeintlichen Idylle. In «Geld und Geist» werden althergebrachte Geschlechterrollen hinterfragt und in der Geschichte stehen sich das Gute und das Böse – inmitten eines patriarchalen Systems – gegenüber, wobei im Mittelpunkt zwei gegensätzliche Bauernfamilien stehen: die eine gütig und gottesfürchtig, die andere verderbt und gottverlassen. Sie bekämpfen sich im behäbigen Emmental bis aufs Blut. Eine Familienidylle zerfällt, während die Kinder unter den Streitigkeiten leiden. Von religiöser Symbolik aufgeladen, betont die Erzählung den Wert der Gemeinschaft, gegen den von Geldgier getrieben hemmungslos verstossen wird. Mammon als höchstes Gut, dem oft alles untergeordnet wird. Gotthelf sah die damalige moderne Zeit als eine Phase von Hochmut und Habsucht im Sinne einer apokalyptischen Bedrohung, in der Fleiss, Demut und Barmherzigkeit als zentrale Eigenschaften an Bedeutung verlieren. Sein Werk ist eine beeindruckende Proklamation gegen die kapitalistische Geldgier.

Aus der Vergangenheit entsprungen

Der Aufführungsort des Theaterstücks zwischen geschichtsträchtigen Gebäuden in Bahnhofsnähe und unter der Leitung von Kaspar Geiger, versetzt uns in eine Zeit, die wie aus der Vergangenheit entsprungen zu sein scheint. Von der «Theatercompany Texte und Töne» wird uns ein facettenreiches Bild der damaligen Geschichte aufgeführt, wobei wie so oft bei ihren Projekten die Musik eine zentrale Rolle einnimmt. Ein ad-hoc-Chor unter der Leitung von Susanne Würmli-Kollhopp und das 23-köpfige Saxofon-Ensemble «Silverhorns» unter der Leitung von Thomas Heid begleiteten die Szenen während der fast zweistündigen Vorstellung und fügten sich nahtlos ins theatralische Geschehen ein.

Erleichterung nach der gelungenen Premiere

Den Akteurinnen und Akteuren gelang es mit ihren Darstellungen in wechselnder Sprache rasch, mit dem Publikum zu interagieren und ihre charakteristischen Geschlechterrollen mit der Selbstentfremdung der damaligen Zeit professionell und auf überzeugende Art zu verkörpern.

Die Erleichterung der Schauspielerinnen und Schauspieler nach der gelungenen Premiere war dann auch spür- und sichtbar, als sie sich nach dem grossen Beifall unter den Silverhorns-Klängen des Lieds «We Are The Champions» herzhaft um den Hals fielen. Wer, wie die Menschen dazumal, ein Drang nach alltäglicher Veränderung spürt, dem ist ein Besuch des Theaterstücks zu empfehlen.

Vorstellungen: 7./8./9./10. September jeweils um 19.30 Uhr. Einführung ins Stück mit Hansjörg Stalder um 18.30 Uhr. Tickets online unter eventfrog.ch, im Cheesmeyer Sissach und in allen Postfilialen.

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