Vom Ziegelhof bis Unser Bier
Liestal Interessantes über die Liestaler Biergeschichte
Ein grosser Teil des Gestadeck-Gebietes wurde in früherer Zeit durch die Ziegelei respektive den Ziegelhof und später durch die Brauerei Ziegelhof belegt.
In der Ziegelei liessen die gnädigen Herren von Basel von 1432 bis 1849 Ziegel für den Bau und Unterhalt der Ringmauer und der Letzi brennen. Die Ziegelhütte wurde nach dem Abbruch der Stadtbefestigung im 18. Jahrhundert von privaten Zieglern weitergeführt.
Das Geschäft mit Ziegeln wurde jedoch immer schwieriger und weniger lukrativ, so dass für das Ziegelhof-Areal nach anderen Lösungen gesucht wurde. 1850 ging der Ziegelhof in den Besitz des Bierbrauers Karl Wilhelm Gysin über, welcher aber nach wenigen Jahren verstarb. Aus wirtschaftlichen Gründen wurde der Betrieb später versteigert. Erworben wurde die Brauerei vom tüchtigen Brauer Theophil Meyer-Zeller aus Itingen. Dieser brachte den Betrieb zu erster Blüte. 1878 übernahm Jakob Meyer-Wiggli die Brauerei von seinem verstorbenen Bruder und führte sie bis 1921. Sein Nachfolger wurde der Sohn Jakob Meyer-Schneider. Dessen Schwiegersohn Hans Gürtler-Meyer leitete von 1961 bis 1999 den Betrieb. Aus welchen Gründen auch immer wurde 2006 das operative Geschäft der Brauerei Ziegelhof von der Eichhof Getränke AG übernommen und die Bierproduktion in Liestal eingestellt.
Zwar wird auch heute noch das süffige Getränk unter dem Namen Ziegelhof-Bier gebraut, aber für viele Bierliebhaber ist die Identität zu Liestal verloren gegangen. «Das goldene Bier aus Liestal» ist leider Vergangenheit!
Während vieler Generationen war die Brauerei Ziegelhof «der» Inbegriff für Liestal. Es herrschte fast Tag und Nacht ein emsiges Treiben; viele Arbeitsplätze wurden angeboten und laufend hatte sich der Betrieb erweitert. Gärkeller, Sudhaus, Abfüllanlagen, Lager, Stallungen für die Brauereipferde und diverse weitere Gebäulichkeiten prägten das Bild des Gestadeck-Quartiers. Der Geschmack von Hopfen und Malz war oft in halb Liestal wahrnehmbar. Die robusten Brauereipferde zogen prall gefüllte Anhänger mit Bierfässern und -kisten von Restaurant zu Restaurant. Die Eisblöcke, die man für die Kühlung benötigte, wurden vor Ort zerschlagen. Ich kann mich noch sehr gut an meine Jugendzeit erinnern. Für uns war das immer der Zeitpunkt, mit Eimern bereitzustehen, um die Eisreste nach Hause zu bringen, wo sie für einige Stunden für die Kühlung von Esswaren und Getränke verwendet wurden (Kühlschränke gab es noch keine). Übrigens befand sich der Eiskeller der Brauerei an der Schützenstrasse, wo die Eisklötze von den Eisweihern aufgestapelt waren. Früher bezogen auch die Zuckerbäcker das Natur-Eis von der Brauerei.
Die heutige Situation
Das Ziegelhof-Areal bietet heute wahrlich kein schönes Bild. Verlotterte Gebäude, verschmierte Wände und die Ungewissheit, was mit diesem riesigen Areal künftig geschehen soll, sorgt immer wieder für rote Köpfe.
Vor einigen Jahren war eine Grossüberbauung inklusive Coop-Center geplant. Leider konnten diese Pläne nie verwirklicht werden, weil sich gegen das Bauprojekt grosser Widerstand formierte, so dass sich die damaligen Bauherren zurückzogen.
Seither wird in diversen Richtungen experimentiert. Für bestimmte Bereiche konnten sinnvolle Lösungen gefunden werden. So wurde in der ehemaligen Abfüllanlage unter dem Namen «Hebdi» eine grosse Boulder- respektive Kletterhalle eingerichtet. Das Motto lautet: «Sport- und Klettererlebnis für Jung und Alt. Bouldersektor und Seilkletterbereich für jung, alt, stark, schwach, kurz und lang.» Es werden unter anderem Kinderkurse und Stunden für Schulklassen angeboten. Dieses neue Zentrum verfügt zudem über eine gemütliche Bar und bietet gute Voraussetzungen für die Durchführung von Kindergeburtstagen.
Neue Ausrichtung: Bier von hier!
Es war ein Schock für Liestal, als Ziegelhof verkauft wurde und die bestens verankerte, traditionsreiche Brauerei 2006 ihren Betrieb einstellte. Umso erfreulicher ist es für die Bevölkerung von Liestal und Umgebung, dass «Unser Bier» in den Mauern der ehemaligen Braustätte einen professionellen Braubetrieb eingerichtet hat. Die neue Spezialitätenbrauerei hat ihren Betrieb Ende 2021 aufgenommen. Seither wird in Liestal wieder tüchtig gezwickelt und gebraut.
Der Grund für die Expansion von «Unser Bier» nach Liestal ist einfach. An ihrem Standort auf dem Gundeldinger Feld in Basel stiess die Brauerei zunehmend an ihre Grenzen. Weil die Verantwortlichen der Brauerei zudem feststellten, dass die Mehrheit ihrer Aktionäre aus dem Baselbiet stammt, war die Idee einer Produktions-Ausweitung ins mittlere Baselbiet relativ schnell geboren.
Auf der neuen Anlage in Liestal werden vor allem Craft-Biere gebraut. Installiert wurde eine Zehn-Hektoliter-Anlage mit Gär- und Lagertanks für eine Jahresproduktion von rund 1000 Hektoliter. Die Brauerei mit eigener Abfüllanlage ist bei der Rampe an der Gerberstrasse eingerichtet, wo früher der ganze Umschlag der Ziegelhofbiere stattfanden. Die neue Anlage kommt übrigens auch den Bedürfnissen von Kleinstbrauereien entgegen, die ihre Biere im sogenannten Lohnbrau von «Unser Bier» brauen lassen.
Liestal hat eine grosse Zwickel-Tradition. Jeden Freitagnachmittag konnten bei Ziegelhof die Zweiliter-Siphons mit frischem Zwickelbier gefüllt werden. «Unser Bier» hat diese Tradition wiederbelebt; jeden Freitagabend kann von 17 bis 19 Uhr auf der Rampe an der Gerberstrasse gezwickelt werden. Aber auch die übrigen Biere des Sortiments können im Direktverkauf bezogen und vor Ort degustiert werden.
Es ist erfreulich, dass die alte Biertradition wieder in Liestal Einzug gehalten hat. Auch der Liestaler Stadtpräsident hat anlässlich der Eröffnung erklärt, er sei erfreut darüber, dass «Unser Bier» professionell in Liestal braut und wir damit einen Mosaikstein mehr in der Genusshauptstadt Liestal haben.
Der Name «Ziegelhof» wurde vor 150 Jahren «geboren». Es ist zu hoffen, dass der Marke «Unser Bier» ebenfalls ein möglichst langes Leben gegönnt sei.
Geschichte der Brauereien in Liestal
Die Geschichte über das Bierbrauen in Liestal geht weit zurück. Entsprechende Recherchen im Buch «Die Geschichte der Brauereien beider Basel und Rheinfeldens» von Mario Nanni haben für Liestal folgende interessanten Aspekte zu Tage geführt:
1. Im Jahre 1813 ist von einem Bierbrauer Benedikt Meyer-Brodbeck die Rede. Am 31. Juli wurde eine bewilligte Gant durchgeführt, wo u. a. auch ein Brauhaus angeboten wurde.
2. Ein Dokument aus dem Jahre 1831 besagt, dass ein gewisser J. J. De Bary im Casino von Liestal eine kleine Brauerei installiert hat. Die Brauerei hatte aber nur rund 2 Jahre lang Bestand.
3. Einem Kaufvertrag aus dem Jahre 1850 kann folgendes entnommen werden: «Karl Gysin übernimmt die im selben Jahr gegründete Brauerei Gysin und unterzeichnet dafür einen Kaufvertrag für die in der Stadt Liestal an der untern Schulgass, unfern des Ziegelhauses gelegenen Ziegelbrennerei samt Nebengebäuden». 1860 ging die Brauerei wieder ein.
4. 1855 wurde durch Reinhard Brüderlin die Brauerei zum Stab gegründet. 1877 legte Brüderlin seine Brauerei still, die Lagerkeller in den Weihermatten verkaufte er der Brauerei Ziegelhof. Die Brauerei betrieb Brüderlin noch als Wirtschaft weiter. Am 1.3.1885 vermietete er die Wirtschaft an die Actionbrauerei Basel, welche die Wirtschaft mit Pächtern weiterführt und dabei ihr Actienbier anbietet.
5. Brauerei Ziegelhof. Gegründet 1863 durch Theophil Meyer. 2006 Verkauf an die Brauerei Eichhof in Luzern. Die Brauerei Ziegelhof wird geschlossen und das Ziegelhof-Bier in Luzern gebraut.
6. Die Aufzählung der Liestaler Biergeschichte wäre nicht vollständig, wenn nicht auch die in den letzten Jahren entstandenen Kleinbrauereien erwähnt werden.
Die älteste dieser Art ist die «Stedtli-Bier-Brauerei». Im Jahre 2013 hatten einige Freunde die Idee, eigenes Bier zu brauen. Die Idee wurde schliesslich auch umgesetzt, und so war das «Stedtli-Bier» geboren. Begonnen hatte alles in einer Garage. Dann fand man Lokalitäten im ehemaligen Ziegelhof-Areal. Seit 2021 wird das Bier in der sogenannten Braugarage beim Hanro-Areal gebraut. Nach und nach entstanden in Liestal weitere Kleinbrauereien, z.B. «varius», «hoptopus», «hülftebräu» usw.