Ein Herzensprojekt geht zu Ende

Familienbegleitung Die Elternhilfe beider Basel stellt ihr Angebot ein  

Eltern, die mit ihrer familiären Situation überfordert sind, konnten bisher in der Region Basel auf ein einzigartiges Angebot zurückgreifen: Die Elternhilfe beider Basel vermittelte fast vier Jahrzehnte lang Freiwillige, die wöchentliche Hausbesuche machten und die Familien unterstützten. Seit 1986 wurden jährlich zwischen zehn und 30 Familien begleitet, auch im Oberbaselbiet haben zahlreiche Familien davon profitiert. Für viele der Freiwilligen war der Verein Elternhilfe ein Herzensprojekt. Damit ist jetzt leider Schluss: Die laufenden Familienbegleitungen werden noch zu Ende geführt, aber danach wird das Angebot beendet.

Geschäftsleiterin Anita Müller nennt einen einfachen Grund dafür: Es fehlt an erfahrenen Eltern, die bereit sind, sich für eineinhalb Jahre freiwillig zu engagieren. So lange dauert eine Begleitung in der Regel. «Früher war das kein Problem, ich konnte sie fragen, ob sie sich drei Jahre Mitarbeit vorstellen konnten, und sie nickten. Heute hätten sich die Bedürfnisse geändert. Die Freiwilligen seien aktiver, sie möchten flexibel sein und sich eher kurzfristig verpflichten», stellt die Geschäftsleiterin fest. Eine Familienbegleitung zu übernehmen, bedeute hingegen, dass sie in den eineinhalb Jahren nicht längere Auszeiten machen könnten. Für den Verein ist das Finden von Mitarbeitenden daher immer aufwendiger geworden.

Laut Anita Müller machen einige der Freiwilligen schon seit Jahren mit, andere erst seit kurzem, es sei sehr unterschiedlich. Einen Lohn bekämen sie nicht, aber der Verein habe immer darauf geachtet, dass sie eine Spesenentschädigung erhielten. Waren in früheren Zeiten bis zu 30 Personen im Einsatz, so sind es aktuell 6. Eine Person begleitet jeweils eine Familie, was etwa einem Zehn-Prozent-Pensum entspricht und in der Freiwilligenarbeit üblicherweise als ein vertretbarer Zeitaufwand gilt.

Suche nach Freiwilligen blieb erfolglos

Mit dem Mangel an Freiwilligen konfrontiert, führte der Verein eine grosse Werbeaktion durch – doch diese blieb erfolglos. Hinzu kam, dass Anita Müller, die seit 17 Jahren dabei ist, bald pensioniert wird und eine neue Person einarbeiten müsste, aber ohne Mitarbeitende ist das nicht gut möglich. Aus diesen Überlegungen habe der Vereinsvorstand den Entscheid getroffen, das Angebot zurückzuziehen, berichtet die Geschäftsleiterin.

Der Bedarf an Familienbegleitung ist auf der anderen Seite immer noch da. Obwohl der Verein in der letzten Zeit nicht mehr für sein Angebot geworben hat, rufen trotzdem immer wieder Eltern an, die mit ihrer Familiensituation überfordert sind. «Da es niederschwellig und sozusagen kostenlos ist, ist es ein gutes Angebot», sagt Anita Müller. Im Unterschied zu anderen Institutionen würden die Familien nicht von den Behörden zugewiesen, sondern meldeten sich freiwillig.

Vom Notruf zur professionellen Begleitung

Entstanden ist die Elternhilfe beider Basel aus dem Elternnotruf beider Basel, eine 24-Stunden-Telefonhilfe, die aus einem Kinderschutzbund entstanden ist. «Mit der Zeit wurde klar, dass es hilfreich ist am Telefon mit überforderten Müttern zu reden, aber eigentlich bräuchten diese eine Unterstützung zu Hause», so Anita Müller.

Vor 37 Jahren begann der Verein deshalb, Familienbegleitungen anzubieten. Das ursprüngliche Konzept der Elternhilfe blieb über all die Jahre gleich, wurde aber zunehmend professionalisierter. Es wurden Erstgespräche, Standortgespräche und Abschlussgespräche mit den Eltern eingeführt. Die Auftragsklärung wurde die Grundlage der Begleitung. Die Mitarbeitenden konnten sich neben der regelmässigen Supervision, jährlich an drei internen Fachbezogenen Seminaren weiterbilden und ihre Begleitung zu ihrem Einsatz wurde intensiviert.

Familien haben sich verändert, die Problematik nicht

Auch in der Familienbegleitung selber habe es immer Veränderungen gegeben, stellt Anita Müller fest. Nach dem POS kam das ADHS und aktuell spricht man vermehrt von den Autismus-Spektrum-Störungen. Heute haben viele Kinder eine Diagnose.

Auch die Familienstrukturen haben sich verändert: «Zu meiner Anfangszeit waren fast immer die Mütter mit den Kindern zuhause. Heute sind oft beide Eltern berufstätig und es kommt noch eine Kita hinzu», stellt Anita Müller fest. Was bei den Eltern, die sich melden würden, gleich bleibe, sei die Überforderung. Alles unter einen Hut zu bringen sei sehr anspruchsvoll. «Wenn sich dann ein Kind nicht so entwickelt wie gewünscht und noch persönliche oder berufliche Probleme dazu kommen, wird das Familienleben stark belastet», erklärt Anita Müller.

Es gibt andere Angebote, doch die Elternhilfe hinterlässt eine Lücke

An wen können sich Familien in Zukunft wenden, wenn sie Hilfe benötigen? Anita Müller ist sich bewusst, dass die Elternhilfe beider Basel eine Lücke hinterlässt. Sie weiss nur von zwei Organisationen, die Familienbegleitung zuhause anbieten: einerseits die Sozialpädagogische Familienbegleitung in Liestal, aber dort braucht es eine Zuweisung und die Finanzierung muss geregelt sein, andererseits die Mütter-Väter-Beratungen in den Gemeinden. Dieses Angebot ist altersmässig von Neugeborenen bis ins Kindergartenalter beschränkt.

Zu erwähnen ist ferner der Entlastungsdienst des Rotes Kreuz Baselland. Dieser besteht darin, dass SRK-Mitarbeitende Erziehungspersonen in Ausnahmesituationen die Kinderbetreuung übernehmen. Das Angebot ist kostenpflichtig. Beratung ohne Hausbesuche bieten unter anderem Familien- und Erziehungsberatungsstellen wie zum Beispiel die Birmann-Stiftung in Liestal. Bei der Stiftung PTZ pädagogisch-therapeutisches Zentrum Baselland (PTZ) können Eltern sich melden, wenn sie vermuten, dass bei ihrem Kind eine Entwicklungsstörung vorliegen könnte.

Anita Müller bedauert, dass die Elternhilfe ihr Angebot einstellen muss. Es sei ein langer Prozess vorausgegangen und ein schwerer Entscheid gewesen. «Aber ich denke, es ist jetzt gut so», bemerkt die Geschäftsleiterin abschliessend. Über seine definitive Auflösung wird der Verein im nächsten Jahr befinden.

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