Freiwilligenarbeit boomt
Solidarität Die Plattform benevol-jobs.ch vernetzt engagierte Personen, Hilfesuchende und Organisationen

In Krisenzeiten kommen zwei urmenschliche Eigenschaften deutlich zum Vorschein: einerseits der Egoismus, der sich beispielsweise durch Hamsterkäufe offenbart, andererseits ein grosser Zusammenhalt und gegenseitige Hilfe. In den sozialen Medien bieten unzählige Personen an, für ältere Mitmenschen oder Risikopatienten/-innen die Einkäufe zu erledigen. Und es gab eine Klatschaktion, bei der von den Balkonen und aus den Fenstern Beifall für das Personal in der Pflege und der Medizin gespendet wurde. Auch im öffentlichen Raum waren aufgehängte Zettel zu sehen, in denen Privatpersonen Hilfsbereitschaft signalisierten.
In fast jeder Region oder Gemeinde sind Facebook- und Chat-Gruppen gegründet worden, auf denen Hilfeanbietende und Hilfesuchende zueinanderfinden können. Auch Organisationen haben früh die Initiative ergriffen und Vernetzungsplattformen geschaffen, unter anderem die Aktionen «Hilf-Jetzt», «Gärngschee – Basel hilft», das Rote Kreuz und die Gemeinnützige Gesellschaft mit «Five up» sowie die Klimastreik-Bewegung (siehe Links am Schluss dieses Artikels). Manche Gemeinden haben ihre Bevölkerung ebenfalls dazu aufgerufen, Nachbarschaftshilfe zu praktizieren.
Besonders gefragt sind Personen, die Einkäufe erledigen, aber auch Familien, die Kinder aus der Nachbarschaft tagsüber bei sich aufnehmen, wenn deren Eltern arbeiten müssen. Was aber immer betont wird: Solche Hilfestellungen sollen nur für jeweils einen Haushalt geleistet werden, damit die helfende Person nicht zu einem potenziellen Virus-Multiplikator wird. Bei Besorgungen gilt: Abstand halten, Hygiene beachten, wenn möglich das Telefon nutzen und auf Bargeld verzichten.
Eine Pionierin in Sachen Freiwilligkeit ist die Organisation Benevol. Bereits im vergangenen Jahr hat sie die Plattform benevol-jobs.ch lanciert, um Freiwillige und Organisationen, die Freiwillige suchen, zu vernetzen. Letzte Woche wurde ein neuer Bereich «Pandemie» aufgeschaltet: Auf dieser zentralen Drehscheibe können sich Freiwillige melden, die Einsätze leisten möchten, während Organisationen ihre Einsatzbereiche publizieren können.
«Im Moment sind wir daran, mit Projekten und Initiativen, die jetzt im Kanton am Entstehen sind, in Kontakt zu treten, vieles ist im Tun», sagt Karin Fäh, Geschäftsleiterin von Benevol Baselland. Unter anderem ist sie mit dem Roten Kreuz Baselland und mit dem kantonalen Krisenstab in Kontakt. Auch die Gemeinden kontaktiert sie, um sie auf die Plattform aufmerksam zu machen.
Nicht alle sind digital vernetzt
«Freiwilligenarbeit boomt», stellt Karin Fäh fest. Es hätten sich bereits sehr viele Leute gemeldet, sowohl Hilfeanbietende als auch Hilfesuchende, und dies nicht nur online, sondern auch per Telefon. «Wir wissen, wo was gesucht oder angeboten wird, und können die entsprechenden Kontakte weitergeben», erklärt sie. Man müsse auch an die Seniorinnen und Senioren denken, die nicht digital vernetzt seien. «Gerade unter diesen Menschen befinden sich auch viele, die am meisten Hilfe bräuchten: sozial schlechter gestellte, in der Mobilität eingeschränkte, kranke. Wir müssen schauen, dass auch sie bei Bedarf zu ihren Sachen kommen und nicht vereinsamen», betont Karin Fäh.
Über die vielen Freiwilligen, die sich engagieren möchten, freut sich die Benevol-Geschäftsführerin: «Solidarität ist eine schöne Sache.» Gleichzeitig ruft sie eindringlich dazu auf, die nötige Vorsicht walten zu lassen, Abstand zu halten und die Hygieneregeln einzuhalten.
Auf langjährige Erfahrung mit Freiwilligen kann auch das Rote Kreuz Baselland zurückblicken. Es beschäftigt rund 800 Freiwillige für verschiedenste Dienstleistungen. Als Reaktion auf die aktuelle Pandemie hat es in kürzester Zeit einen Besorgungsdienst eingerichtet. Bis Montagabend hatten sich laut Geschäftsleiterin Anja Nicole Seiwert etwa 40 Freiwillige gemeldet sowie rund 10 Personen, die diese Besorgungen in Anspruch nehmen möchten.
Die Corona-Krise treffe die Rotkreuz-mitarbeitenden und die Klienten hart, fügt Anja Nicole Seiwert hinzu, besonders nachdem die Massnahmen nochmals verschärft worden seien. Bei Fahr-, Begleit- oder Besuchsdiensten sei es beispielsweise nicht immer möglich, Abstand zu halten, etwa wenn einer Person beim Aussteigen aus dem Auto geholfen werde. «Zum Teil sagen Kunden einen Einsatz ab, weil sie zu einer Risikogruppe gehören und keine Ansteckung riskieren möchten», stellt Anja Nicole Seiwert fest. Aber auch wenn eine Mitarbeiterin oder ein Mitarbeiter einen Einsatz nicht leisten wolle, dann werde das respektiert.
Links und Telefonnummern: Geschäftsstelle Benevol Baselland: Tel. 0619217191, benevol-jobs.ch Rotes Kreuz Baselland: Tel. 0619058200 (Zeitfenster, um ein Engagement oder eine Besorgung anzumelden: 9–11.30 Uhr), besorgungsdienst@srk-baselland.ch hilf-jetzt.ch www.fiveup.org www.facebook.com/groups/ gaerngscheebasel