Klicks sind nicht alles

Podium Die Vernissage des «bz»-Buchs drehte sich um den heutigen Journalismus 

Roger Blum stellte in der Kantonsbibliothek in Liestal sein aktuelles Buch über die Geschichte der «Basellandschaftlichen Zeitung» vor.Foto: M. Schaffner

Die Arbeit der Journalistinnen und Journalisten hat sich in den letzten Jahren grundlegend verändert. Im Gegensatz zu früher kann heute exakt gemessen werden, wie oft ein Artikel gelesen – angeklickt – wird, sprich: wie gut eine Geschichte «läuft». Lohnen sich also nur noch Storys im Stil von: «Wo trinkt man den günstigsten Kaffee»? Nein, meinten die Teilnehmenden eines Podiums in Liestal. Auch eine «trockene» Politikanalyse müsse drinliegen – sonst könne der Journalismus einpacken. Nur müsste die Geschichte anders erzählt werden als früher, «näher dran an den Menschen». Wenn beispielsweise ein neues Gesetz vorgestellt werde, sollten Medienschaffende nicht einfach den formalen Text paraphrasieren, sondern aufzeigen, welche konkreten Auswirkungen das jeweilige Thema auf das tägliche Leben hat.

Anlass für das Podium war die Vernissage des Buchs «Das Blatt der Patrioten. Geschichte der ‹Basellandschaftlichen Zeitung›» (siehe Infobox) in der Kantonsbibliothek. Der Autor, der Medienwissenschaftler Roger Blum, aufgewachsen in Liestal und ehemaliger ­Präsident des Schweizer Presserats sowie Ombudsmann der SRG, redete über die Problematik von Nähe und Distanz während der Buchrecherche. Als «bz»-Leser seit seinem elften Lebensjahr und als ehemaliger freier Mitarbeiter hatte er einen persönlichen Bezug zu den Persönlichkeiten, die ihm im Archiv begegneten. Um zu verhindern, dass sein Buch einseitig werde, habe er sich strikt an wissenschaftliche Methoden gehalten, Quellen zitiert und eine Fragebogen-Umfrage bei ehemaligen und jetzigen Mitarbeitenden durchgeführt.

Das anschliessende Podium nahm diesen Faden auf. Um trotz Nähe kritisch zu bleiben, bedürfe es einer persönlichen Haltung, sagte Patrick Marcolli, Chefredaktor der «bz». Man mache grundsätzlich einen Schritt zurück und schaue sich das Ganze neutral an, ergänzte Nina Jecker, stellvertretende Chefredaktorin der «Basler Zeitung»: «Dann spielt es auch keine Rolle, wenn man die andere Person am nächsten Tag beim Rheinschwimmen trifft.» Roger Blum stellte fest, dass oft ein journalistischer Reflex eintrete, der automatisch Distanz herstelle. Wenn man beispielsweise mit einer Person per Du sei, und diese Bundesrat werde, rufe man sie nicht gleich am nächsten Tag an.

Kopfblattsystem hat nicht nur Nachteile

Ein Thema war der Rückgang der Abozahlen und der grosse wirtschaftliche Druck, der auf dem Print-Journalismus und somit auch auf den Journalistinnen und Journalisten lastet. Patrick Marcolli widersprach allerdings, dass das Kopfblattsystem, das aus Zeitungsfusionen hervorgegangen ist, die Lokalredaktionen «klein hält», weil die finanziellen Ressourcen anderswo gebraucht werden: «Die Budgets werden in Aarau gemacht, aber wir sind wirtschaftlich unabhängig.» Auch inhaltlich rede «Aarau» – die «bz» gehört heute zum Konzern CH Media mit Hauptsitz in Aarau – der Redaktion nicht drein. Alle Podiumsgäste inklusive Roger Blum sahen auch Vorteile: Eine Lokalredaktion könnte kaum einen Ausland- oder Inlandteil in der Qualität ­einer Mantel­redaktion stemmen; stattdessen könne sie sich jetzt besser auf ihre eigentliche Arbeit im Lokalen konzentrieren. Alessandra Paone, ehemalige Redaktorin bei der «bz» und bei der «Basler Zeitung», kennt auch die Gegenseite, seit sie Mitbesitzerin von «OnlineReports» ist: Ohne einen Konzern im Hintergrund müsse sie nun wieder selber Leserbriefe redigieren und zum Fotografieren rausgehen.

Natürlich hat das Kopfblattsystem auch Nachteile. Etwa dass sich die Zentralredaktion nicht bewusst ist, welche Bedeutung die Pharma in der Nordwestschweiz hat. Oder dass es für Politiker­innen und Politiker aus der Region schwieriger geworden ist, mit einem Vorstoss auf der Front zu landen. Im Regionalteil müsse durch tägliche Arbeit immer wieder bewiesen werden, dass aus der Regionalzeitung keine Zürcher oder Aarauer Zeitung geworden sei, so Marcolli. Im Übrigen sei die Stimmenvielfalt national für die Leserinnen und Leser nicht kleiner geworden, da auch vorher kaum jemand am selben Tag eine Basler und eine Luzerner Zeitung gelesen habe.

Beruf ist härter, aber auch kreativer geworden

Ein Rückgang ist hingegen bei der ­Gemeindeberichterstattung zu beobachten, so Roger Blum. Im weiteren Zusammenhang wies Nina Jecker darauf hin, dass man, je länger man darüber rede, unweigerlich zum Thema Medienförderung gelange. Alessandra Paone und Patrick Marcolli beleuchteten ihrerseits die neuen Arbeitsweisen im Journalismus: Der Beruf sei härter, aber auch kreativer geworden, weil die Redaktion nicht mehr «brav» alle Medienkonferenzen abdecke, sondern versuche, eigene Zugänge zu Themen zu finden.

Abschliessend stellte Roger Blum fest, dass es den Journalismus immer geben werde, die Frage sei nur, in welcher Form er sich ausdrücke.

«Das Blatt der Patrioten»

In seinem 440-seitigen Buch, das im Verlag Baselland erschienen ist, arbeitet Roger Blum die Geschichte der «Basellandschaftlichen Zeitung» von den Anfängen bis in die jüngere Zeit auf. Insbesondere beschreibt er das Verhältnis zur Politik und die «patriotische Pflicht», in der sich die Zeitung immer wieder gesehen hat.

Eng verknüpft ist die Geschichte der Zeitung mit der Verlegerfamilie Lüdin. So erzählten an der Buchvernissage mehrere Familienmitglieder von ihren persönlichen Erinnerungen an die ältere und jüngere Zeit des Zeitungs­wesens. Leichte Kritik daran, dass das Buch im Jahr 2011 endet, äusserte der heutige «bz»-Chefredaktor an der Buchvernissage: Für die heutige Generation der Medienschaffenden seien die Umbrüche, die seit 2011 stattgefunden hätten, von grosser Bedeutung. Blum war um eine Antwort nicht verlegen: «Grund für ein neues Buch», meinte er.

Blum, Roger: Das Blatt der Patrioten – Geschichte der «Basellandschaftlichen Zeitung», Quellen und Forschungen zur Geschichte und Landeskunde des Kantons Basel-Landschaft 109, Verlag Baselland, Liestal, 2024

Weitere Infos: verlagbaselland.ch

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