Lokale Arbeit sichert Lieferketten

Liestal Die Eingliederungsstätte Baselland ruft Firmen auf, sich weniger vom Ausland abhängiger zu machen

Ein Mitarbeiter in der Werkstatt an der «Königsmaschine» der JRG AG.Fotos: zVg

Ein Mitarbeiter in der Werkstatt an der «Königsmaschine» der JRG AG.Fotos: zVg

Ein Mitarbeiter der ESB in Liestal bei der Verpackungsarbeit.

Ein Mitarbeiter der ESB in Liestal bei der Verpackungsarbeit.

In den Werkstätten der Eingliederungsstätte Baselland (ESB) wird gefertigt, gelötet, montiert, beschriftet, verpackt – auch in Corona-Zeiten. Während der ganzen Lockdown-Zeit stand der Betrieb keinen einzigen Arbeitstag still. Unter dem Motto «lokal statt global» ruft die ESB die Unternehmen in der Region dazu auf, ausgelagerte Produktions- und Verarbeitungsschritte lokal zu vergeben oder sogar aus dem Ausland wieder in die Schweiz zurück zu holen. «Wir wollen auf die Veränderung und Chance im wirtschaftlichen Denken und Handeln aufmerksam machen und dadurch auch Arbeitsplätze sichern», fasst ESB-Kommunikationsverantwortliche Anja Weyeneth zusammen. Ein Produkt aus Asien sei vielleicht günstiger, aber lokale Produktion habe den Vorteil, dass sie termingerecht sei und dass die Qualität stimme.

Dabei ist es nicht so, dass Corona ganz spurlos an der ESB vorbeigegangen wäre. Von den insgesamt rund 700 Mitarbeitenden in Liestal und Reinach beziehen etwa 480 eine Rente. Auch wenn sie nicht die gleich hohe Arbeitsleistung erbringen können wie Arbeitstätige im freien Markt, so stellen sie doch den Grossteil der ESB-Produktivität sicher.

Um den 16.März herum, als der Bundesrat die Pandemie-Massnahmen kommunizierte, blieb schlagartig fast die Hälfte von ihnen zu Hause. «In erster Linie Risikogruppen, aber auch aus Angst um sich selber und um ihre Angehörigen», sagt ESB-Werkstattleiter Andreas Maier. Die Informationsflut in den Medien habe viele verunsichert. «Das war für uns nicht einfach», fährt Maier fort, «denn wir hatten ja sehr gute, umfangreiche Produktionsaufträge am Laufen, und die Kunden hatten die Erwartung, dass wir sie fertig bringen.» Zu den Kunden gehören auch grössere Unternehmen wie die JRG AG in Sissach oder Endress+Hauser in Reinach. Die ESB löste das Problem, indem sie alle Reserven an Mitarbeitenden mobilisierte und zusätzliche Personen temporär anstellte.

Allmählich kehren jetzt auch die Daheimgebliebenen zurück, nachdem ihnen die ESB einen Brief geschickt hat, in dem sie die Sicherheitsmassnahmen in den Werkstätten nach BAG-Vorschriften aufzeigte und ihnen empfahl, mit ihrem Arzt abzuklären, ob sie zu den Risikopersonen gehören. Die Abwesenheiten regelte die ESB kulant; erst seit letzter Woche ist ein schriftliches Attest nötig. Dank Abstandsmarkierungen, Desinfektionsmittel, Plexiglasscheiben und weit auseinandergestellten Tischen können die Vorschriften eingehalten werden.

Lokal bedeutet Sicherheit

Bis vor zwei, drei Wochen sei die Auftragslage sehr gut gewesen, stellt Andreas Maier fest. «Jetzt merken wir aber, dass weniger Aufträge kommen, womöglich, weil viele Firmen finanzielle Probleme haben.» Es werde sicher auch Ausfälle geben, weil manche Firmen künftig nicht mehr existieren würden.

Mit der Kampagne «lokal statt global» will die ESB ihren Kunden in Erinnerung rufen, dass lokale Fertigung ein Stück Sicherheit bietet. «Wir sind für sie da, auch in der Krise», erklärt Andreas Maier. Einige Kunden, die einen Teil ihrer Produkte etwa in Asien fertigen liessen, hätten tatsächlich Schwierigkeiten mit den Lieferketten gehabt. Waren seien am Zoll hängen geblieben oder gar nicht erst geliefert worden.

Wie im ersten Arbeitsmarkt, aber mit Unterstützung

Natürlich stellt die ESB als Dienstleistungsanbieterin für manche lokale KMU eine Konkurrenz dar. «Der Kunde schickt einen Auftrag an uns und andere Firmen, manchmal kriegen wir ihn, manchmal nicht», stellt Maier lapidar fest.

Einen Widerspruch dazu, dass die ESB eine soziale Institution ist, sieht er darin nicht. «Wir möchten ja die Mitarbeitenden fördern mit vernünftigen Aufträgen.» Früher seien sie mit einfachsten Arbeiten beschäftigt worden, aber wenn man heute eine ESB-Werkstatt betrete, erkenne man keinen Unterschied mehr zu einem Betrieb im ersten Arbeitsmarkt. Die Qualität der Arbeit sei voll vergleichbar mit derjenigen von im ersten Arbeitsmarkt Tätigen. Allerdings immer mit Begleitung und Unterstützung von betreuendem Personal, das in der Regel Arbeitsagogen seien.

Dass die Mitarbeitenden gerne zur Arbeit kommen, wusste Andreas Maier schon vorher. Aber jetzt habe es sich nochmals bestätigt: «Nach drei Wochen meldeten sie sich, weil ihnen Zuhause die Decke auf den Kopf fiel.» Die Arbeit in der ESB gebe ihnen Tagesstrukturen, dazu gehörten neben der eigentlichen Arbeit auch die Pausen, das gemeinsame Essen und die sozialen Kontakte.

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