Lokale Läden fordern Gleichbehandlung

Lockdown Grossverteiler profitieren von Lockerung – kleine Dorfgeschäfte leiden weiter

Tägliches Anstehen für Lebensmittel unter Einhaltung des Abstandes. Fotos: Michael Herrmann

Tägliches Anstehen für Lebensmittel unter Einhaltung des Abstandes. Fotos: Michael Herrmann

Bäckerei mit Zaun und Hinweis beim Eingang.

Bäckerei mit Zaun und Hinweis beim Eingang.

Lieferdienste haben alle Hände voll zu tun.

Lieferdienste haben alle Hände voll zu tun.

Vor einer Woche hat der Bundesrat über die Lockerung der Corona-Massnahmen kommuniziert. Ab 27.April dürfen beispielsweise Coiffeursalons, Baumärkte oder Gartencenter wieder öffnen und die Sortimentsbeschränkung in den Lebensmittelgeschäften entfällt. Die Fachgeschäfte im Detailhandel müssen sich jedoch bis zur zweiten Lockerungs-Etappe am 11.Mai gedulden (Informationsstand: Dienstagabend).

«Wer Kunden schützen kann, soll öffnen dürfen», fordert nun die FDP Baselland in einem Communiqué. Parteipräsidentin Saskia Schenker begrüsst einerseits die Lockerung für einen Teil der Geschäfte ab 27.April. Andererseits hat sie kein Verständnis dafür, dass beispielsweise eine Papeterie, ein Haushaltwarenladen oder ein Velohändler nicht aufmachen dürfen, obwohl die Schutzmassnahmen eingehalten werden könnten. «Das ist eine Ungleichbehandlung», stellt Saskia Schenker fest.

Bei den Bäckereien und Metzgereien habe man in den letzten Wochen gesehen, dass dort die Leute durchaus einkaufen können: «Man stellt sich draussen an und nimmt sich etwas mehr Zeit.» Den Fachhändlern würde es viel bringen, wenn sie diesen Umsatz ebenfalls machen könnten.

Saskia Schenker geht es auch um die Gleichbehandlung von «Kleinen» und «Grossen». Bei den Kunden werde es einen Nachholbedarf geben, und es wäre wichtig, dass die kleinen Fachgeschäfte davon auch profitieren könnten. «Wenn die Grossen ein paar Wochen Vorsprung haben, wird es für die Kleinen bei allen Anlaufschwierigkeiten noch schwieriger», befürchtet Saskia Schenker.

Die FDP Baselland mache auf das Problem aufmerksam, weil es gerade in einem Landkanton von besonderer Bedeutung sei. Die Gewerbevereine würden immer dafür kämpfen, dass eine breite Palette von Detailhändlern und Geschäften in den Gemeinden erhalten blieben. Das sei aber nur möglich, wenn die Bevölkerung auf ihrem Weg durchs Dorf in die Läden gehe. In der Stadt, wo es ganze Einkaufsstrassen gebe, sei die Situation eine andere.

Seitens FDP setze sich auch Nationalrätin Daniela Schneeberger in Bern für eine Gleichbehandlung der Geschäfte ein, fügt Saskia Schenker hinzu. Sie hoffe ausserdem, dass sich auch die Baselbieter Regierung, etwa in der Volkswirtschaftsdirektorenkonferenz, dafür ausspreche.

Regeln wären einhaltbar

Bäckereien und Lebensmittelgeschäfte seien offen, aber für die anderen sei die aktuelle Situation ein riesiger Einschnitt, ergänzt Matthias Mundwiler, Gemeinderat von Bubendorf (FDP). Er denkt auch an die Geschäfte, die nach der selektiven Lockerung ab 27.April weiterhin geschlossen bleiben: «Sie müssen zuschauen, wie die Grossverteiler aufmachen und Waren, die sie vielleicht auch in ihrem Sortiment hätten, verkaufen können.» Er könne gut nachvollziehen, dass sie sich über diese Regelung aufregten. Viele wären in der Lage, die Abstands- und Hygieneregeln einzuhalten. «Wenn drei Leute draussen warten müssen, ist das nicht tragisch», findet Matthias Mundwiler. Im Gegenteil, kleinere Läden seien übersichtlich, während in Grossverteilern nicht immer klar sei, wie viel die exakte Personenzahl pro Quadratmeter gerade betrage.

Im Kontakt mit dem Gewerbe hört der Gemeinderat immer wieder, wie schwierig die Lage im Moment sei. Auch die Lieferdienste würden den meisten lediglich ein paar Franken in die Kasse spülen. «Ich glaube schon, dass die Einwohner das lokale Gewerbe unterstützen möchten», meint Matthias Mundwiler. Aber aus Mangel an Möglichkeiten würden viele halt trotzdem online im Grosshandel einkaufen, was dieser Haltung widerspreche.

Extrem schwierig sei es für die Restaurants, beobachtet Matthias Mundwiler. Falls es im August, September oder Oktober so weit sei, dass sie den Betrieb wieder «herauffahren» könnten, müssten sie auch die entsprechenden Vorräte und die nötige Manpower haben, um die Gäste zu bewirten – die dann vielleicht alle gleichzeitig kommen möchten.

Kommt danach der «Run»?

Ob es nach einer Öffnung tatsächlich einen «Run» auf die lokalen Geschäfte gibt, da ist sich Matthias Mundwiler aber gar nicht so sicher. Es könnte auch sein, dass viele Leute zuerst ein, zwei Wochen abwarten würden und dass es darum eine Weile dauern könnte, bis die Normalität wieder einkehre.

Allgemein stellt Matthias Mundwiler fest, dass bei vielen Geschäften Ängste und Befürchtungen vorhanden sind: die Unsicherheit, was nach der Öffnung passiere und ob sie die Zeit bis dahin finanziell durchstehen könnten. Von konkreten Geschäftsschliessungen aufgrund der aktuellen Krise habe er zwar noch nichts gehört. Aber alle hofften, dass bald die Normalität einkehre und der Warenumsatz wieder angekurbelt werden könne. «Wenn ein Kleider- oder Schuhladen jetzt die Sommerkollektion im Angebot hat, bringt ein Verkauf im Herbst auch nichts mehr», so Mundwiler.

Keine zweite Welle riskieren

Es sei bekannt, dass der Bundesrat mit dem Entscheid eine wettbewerbsverzerrende Situation geschaffen und die kleinen Läden übergangen habe, sagt Irene Müller von KMU Liestal. Zudem stehe eine Aussage bezüglich der Gastronomie aus. Irene Müller verweist auf die Wirtschaftskammer Baselland und weitere Instanzen, die diesbezüglich auf den Bundesrat zugegangen seien: «Wir erwarten möglichst bald eine Stellungnahme und hoffentlich korrigierende Entscheide.» Irene Müller betont aber auch, dass KMU Liestal hinter den Entscheidungen des Bundesrates stehe. Der Bundesrat habe bisher einen sehr guten Job gemacht.

Der Prozess der Lockerung sei eine grosse Herausforderung und immer noch fragil, fährt Irene Müller fort: «Es ist noch grosse Vorsicht geboten.» Die Sicherheitsmassnahmen müssten zwingend eingehalten werden. Niemand wolle eine «zweite Welle» riskieren. Insofern sei es jetzt auch noch zu früh für grossflächige Aktivitäten. «Trotzdem ist es sehr wichtig, dass Unternehmen jetzt, wo die Zeit dazu vorhanden ist, Vorbereitungen treffen, um dann bereit zu sein, wenn es die Situation wieder zulässt», meint Irene Müller. Auch KMU Liestal bereitet sich vor: Mit «Träffpunkt Lieschtel» plant der Gewerbeverein einen grossen Anlass an einem der ersten Wochenenden nach der «Wiedereröffnung». Mehr zum Thema: Seiten 6, 7

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