Oberbaselbieter Schicksale

Böckten «Arme Irre» ist Rita Molls erster (eindrücklicher) Erzählband 

Rita Moll, Autorin aus Böckten, mit ihrem Erzählband. Foto: W. Wenger
Rita Moll, Autorin aus Böckten, mit ihrem Erzählband. Foto: W. Wenger

Die Böckter Autorin Rita Moll hat unlängst das Buch «Arme Irre» veröffentlicht. Die darin beschriebenen Geschichten spielen sich vorwiegend in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts ab. Es handelt sich dabei um Einzelschicksale von Menschen in ihrer Zeit. Obwohl Namen und Rahmenhandlungen in den Geschichten frei erfunden sind, steht ausser Streit, dass der Kern der Erzählungen «echt» ist. Den Kern der Lektüre bilden historische Berichte und Veröffentlichungen, etwa die Akten des Ehegerichts Basel oder die Korrespondenzen von mehreren Pfarrherren aus den Gemeinden des Bezirks Sissach.

Moll sagt zur ObZ, dass sie «Arme Irre» mit Herzblut geschrieben habe. «Es hat mir Freude gemacht, meinen ersten Erzählband zu verwirklichen.» Und sie ergänzt, dass es erheblich schwieriger gewesen sei, einen Verlag zu finden. Diesen hat sie mit dem Bucher Verlag in Hohenems im österreichischen Bundesland Vorarlberg gefunden. Dieser hat Molls Werk in einer Auflage von 800 Exemplaren gedruckt, die unter der ISBN-Nummer 978-3-99018-572-8 in jeder Buchhandlung gekauft werden können.

Im zehn Geschichten umfassenden eindrücklich geschriebenen 136 Seiten starken Buch hat Moll, die bis zu ihrer Pensionierung als Dr. med. vet, also Tierärztin, Fachredaktorin sowie Geschäftsleiterin der «Ärztinnen und Ärzte für Umweltschutz Schweiz» gearbeitet hat, das damalige Leben im Oberbaselbiet «echt und auch brutal» dargestellt. Eben so, wie es war. Sie hat zwar die Handlungen frei erfunden, aber im Kern ist alles so geschrieben, wie das Leben war. Zum Beispiel für Frauen, die ungewollt schwanger geworden waren oder auf andere Art in die Bredouille gelangten. Brennende Armut und ihre Folgen auf der einen Seite und Machtdemonstrationen von Amtsträgern auf der anderen Seite waren an der Tagesordnung. Uneheliche Kinder waren damals in der Stadt eine Schande, im Bezirk Sissach, auf dem Lande generell, eine Katastrophe. Frauen, die es nicht geschafft hatten, sich in Beischlafverzicht zu üben, wurden «ins Loch» gesteckt. Nach jedem Kind länger. Und die Männer, welche dabei waren ...?

Die Akten, welche Moll für «Arme Irre» – Geschichten aus vergangener Zeit, gesichtet hat, sind im Wesentlichen Dokumente, die früher im «Zehntenschrank» des Pfarrhauses Oltingen gelagert waren. «Dank Oltingen», wie Moll ausführt, habe sie überhaupt erst angefangen, zu schreiben. «Ich habe vier bis fünf Jahre am Buch gearbeitet, mit Unterbrüchen.» In diesem Zusammenhang dankt die Böcktnerin Max Wirz-Schaffner aus Wenslingen. Dieser im 2019 verstorbene Lokalhistoriker war es, welcher seine transkribierten Texte (alte deutsche Kurrentschrift) in lesbarer Form Moll zur Verfügung stellte. «Ich möchte ihm hier posthum meine Hochachtung für die grosse Leistung und meinen Dank aussprechen.»

«Das Veilchen» ist eine der zehn sorgfältig recherchierten Geschichten, die zum Schmunzeln Anlass gibt. Oder zum Staunen, ob der damaligen Zustände. Sie «spielt» in Oltingen, mit seiner Kirche St. Nikolaus und dem noch heute sehenswerten Pfarrgarten. Der Text ist voll von «ehegerichtlichen Erkanntnissen» der Jahre 1806 bis 1832, dem Jahr der Gründung des Kantons Basel-Landschaft. Briefe zwischen dem Basler Ehegerichtsschreiber und den Oltinger Pfarrherren dokumentieren einen Umgang mit Menschen, vor allem mit Frauen, der heute inakzeptabel wäre. Eine «Tracht Prügel» von Seiten des Ehemanns an seine Frau waren immer wieder die Regel. Moll schreibt in diesem Zusammenhang von «Grobianen». Aber auch Männer wurde einst der Tarif erklärt. So Oskar Weber, welcher zu fünfundsiebzig Franken Strafe und zu dreimal vierundzwanzig Stunden Einsperrung im Turm auf Wasser und Brot verurteilt wurde, weil er des Ehebruchs mit Maria Hunziker aus dem Aargau überführt wurde.

Schreiben ist im Übrigen nicht das einzige Steckenpferd von der in Allschwil aufgewachsenen Moll. Sie ist auch Steinbildhauerin, begeisterte Chorsängerin und Mitglied in einem Blockflötenensemble. Sie ist verheiratet und wohnt seit 35 Jahren in Böckten. Eine der Geschichten spielt im Übrigen im aargauischen Zeiningen. Ihr Zugang zum Fricktal rührt auch daher, weil ihr im Fricktal wohnender Bruder als «Bindeglied» angesehen werden kann. Ob sie wieder einmal ein Buch schreibt, weiss die Oberbaselbieterin nicht. «Ich nehme es im Pensionsalter echt ruhiger. Ich mache grundsätzlich nur noch das, was mir Lust und Freude bereitet.»

Erhältlich ist das Buch «Arme Irre – Geschichten aus vergangener Zeit» (Hardcover, 136 Seiten) im Laden von «Back gut» in Böckten, in der Papeterie Pfaff in Sissach oder im Buchhandel, ISBN- Nummer 978-3-99018-572-8.

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