Sozialhilfe-Vorlage jetzt doch ohne Stufenmodell

Baselland Der Kanton hat die Kritik aus der Vernehmlassung einfliessen lassen

Die Teilrevision des Baselbieter Sozialhilfegesetzes hatte in der Vernehmlassung heftige Kritik ausgelöst: Für einige Betroffene hätte sie eine finanzielle Schlechterstellung um 30 Prozent bedeutet, befürchteten Organisationen aus dem Sozialbereich. In der überarbeiteten Vorlage, die nun in den Landrat kommt, hat der Regierungsrat die wesentlichsten Kritikpunkte entschärft.

So hat er das komplizierte Sechs-Stufen-Modell verworfen. Problematisch daran war nicht nur, dass die tief angesetzten Eintrittsstufen 1 und 2 einer Sozialhilfe-Kürzung gleichgekommen wären, sondern auch, dass das Modell einen administrativen Mehraufwand verursacht hätte. Stattdessen schlägt der Regierungsrat nun ein «Motivationssystem» vor. Der Grundbedarf von 986 Franken wird beibehalten und lediglich durch ein simples Zuschuss- und Abzugssystem modifiziert. Wer sich um Förderung bemüht oder in einer Berufsbildung ist, erhält einen «Motivationszuschuss» von 100 Franken im Monat, wer ein Beschäftigungszuschuss besucht, erhält einen «Beschäftigungszuschuss» von 80 Franken pro Monat. Dafür müssen Personen Einen Langzeitabzug müssen Personen, die mehr als zwei Jahre Sozialhilfe beziehen, einen «Langzeitabzug» von 40 Franken pro Monat in Kauf nehmen, wobei eine differenzierte Ausnahmeregelung gilt.

Lücke zwischen RAV und Sozialhilfe

Eine zweite wichtige Änderung ist, dass die geplanten Assessmentcenter vollumfänglich vom Kanton finanziert werden und die Gemeinden nicht dadurch belastet werden. Auch die Kritik, dass die Assessmentcenter organisatorisch zu nah an der Sozialhilfe seien, ist aufgenommen worden. In der jetzigen Vorlage sind sie klar positioniert als «Drehscheibe» – weder dem Regionalen Arbeitsvermittlungzentrum (RAV) zugehörig, noch der Sozialhilfe, sondern eigenständig. Ihre spezifische Rolle ist es, die Lücke zu füllen, die entsteht, wenn Personen vom RAV ausgesteuert werden, aber noch monate- oder jahrelang vom Vermögensverzehr leben, bis sie schliesslich doch bei der Sozialhilfe landen. Die Assessmentcenter sollen die Personen, die bisher in dieser Zeit unbegleitet waren, möglichst früh mit Beratung und Fallbegleitung unterstützen – immer mit der Absicht, eine Reintegration in den Arbeitsmarkt zu ermöglichen. Regierungspräsident Anton Lauber gab an einer Medienkonferenz letzte Woche zu verstehen, dass er diesem innovativen Instrument grosse Bedeutung zumisst: Nicht nur von den betroffenen Personen werde Engagement erwartet, auch der Kanton engagiere sich.

Die Kosten sind für das Jahr 2023 mit 0,6 Millionen Franken veranschlagt, danach zwischen 1,25 und 1,9 Millionen Franken jährlich.

Des weiteren schreibt die Vorlage einen automatischen Teuerungsausgleich fest, einen wesentlich höheren Vermögensfreibetrag für Personen ab 55 Jahren von 25000 Franken sowie die Beachtung des Kindeswohls. Neben Kritik aus Verbänden und Kommissionen sind auch Massnahmen aus der inzwischen publizierten Armutsstrategie eingeflossen.

«Bedenken ausräumen»

Die Diskussion in der Vernehmlassung, obwohl kontradiktorisch, sei produktiv gewesen, würdigte Anton Lauber: «Wir sind auf einem Weg, wo wir viele Bedenken ausräumen können.» Trotzdem erfülle die Vorlage die Stossrichtung einer Modernisierung der Sozialhilfe. «Wir schaffen Anreize, dass das Individuum sieht, sein Engagement lohnt sich», verdeutlichte Lauber.

Ein dritter Punkt neben Motivationssystem und Assessmentcenter, den Anton Lauber herausstrich, ist ein besonderer Fokus auf die Integration: «Die Sozialhilfe soll fördern statt verwalten.» So wird beispielsweise das Angebot an Integrationsmassnahmen erweitert.

Die Frage der Sanktionen

Die Vorlage zur Teilrevision des Sozialhilfegesetzes geht auf eine Motion von Landrat Peter Riebli zurück, nimmt aber auch Bezug auf fünf weitere Postulate.

Im Frühjahr 2020 hatten sich verschiedene Organisationen aus dem Sozialbereich an die Medien gewandt. Vieles, was an jener Medienkonferenz in Liestal gesagt wurde, gilt auch jetzt noch: «Wir sind grundsätzlich gegen eine Sozialhilfe, die straft oder sanktioniert», sagt Annina Grob, Co-Geschäftsleiterin von Avenir Social – Berufsverband Soziale Arbeit Schweiz, auf Anfrage der «ObZ». Sollten solche Elemente in der Vorlage sein, wäre der Verband dagegen. Ein detailliertes Statement werde noch folgen.

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