Was für ein Leben!

200.Geburtstag Aus dem «Who’s who» eines Itinger Bauernknaben 

Johann Jakob Christen im Kreise seiner Familie. Arlesheim, 1876. Foto: zVg

Johann Jakob Christen kam am 12. August 1825 als Kind einer Bauern- und Wirtefamilie in Itingen zur Welt, am 25. Juni 1914 verstarb er als Gründer und Inhaber eines Cementwerks in Muttenz. Zwischen diesen beiden Daten liegt ein langes Leben, das auch von Umbrüchen und von Fortschritt geprägt ist.

Christen erlernte in Basel den Beruf eines Geometers, den er auch mit grosser Passion ausübte. Als Politiker war er Gemeindepräsident in Itingen, Landrat und Regierungsrat. Mit nicht einmal 20 Jahren war er bereits Artillerieoffizier. Über das Militär kam er auch in nähere Beziehung zur Arlesheimer Familie Alioth, wo er zeitweise Verwalter der Privatgüter und der Schappefabrik war, bevor er 1878 beim Muttenzer Schänzli die spätere «Beton Christen» begründete.

Das vielseitige Wirken führt zu viele Begegnungen mit interessanten Menschen. Aus seinen autobiografischen Notizen greifen wir einige Namen heraus.

Schulkameraden

1836 eröffnete der junge Kanton Baselland vier Bezirksschulen, darunter auch eine in Liestal. Jakob Christen war in der allerersten Klasse. Dort drückte er die Schulbank unter anderem mit dem Arisdörfer Johannes Kunz, ab 1872 Chefarzt des Kantonsspitals Liestal und mit dem Lausner Johann Jakob Bal(l)mer, Lehrer an der Töchterschule und ab 1869 Privatdozent für Darstellende Geometrie an der Uni Basel. Als Privatforscher machte er sich in der Wissenschaftswelt unsterblich mit seiner «Balmerschen Formel», die den Weg zur Atomphysik bereitet hat.

Baselstädter

In der ersten Hälfte der 1840er Jahre weilte Christen in Basel, um sich dort beim Strasseninspektor Friedrich Baader zum Geometer auszubilden und sich beim Bauinspektor und Architekten Amadeus Merian Grundwissen zur Architektur zu erwerben.

Merian ist Erbauer des «Café Spitz» und des Hotels Drei Könige. Von Baader und Christen wurden viele kartografische Aufnahmen von Stadt und Land die Vorlagen für die wegweisenden topografischen Karten von General Guillaume-Henri Dufour.

Zu einem guten Bekannten von Christen wurde in der Basler Zeit (1840–45) Dr. Karl Brenner, Mitarbeiter an der Bundesverfassung von 1848 und später Mitbegründer der «National-Zeitung».

Bahnbauer

Als Geometer gehörte Christen ins Team des Bahningenieurs Karl Etzel für den Bau der Hauensteinlinie. Schon Jahre vor dem Bau des Tunnels hatte er sich mit der Geologie der Jurakette befasst, und er besuchte deshalb für eine Expertise den Solothurner Geologen Franz-Josef Hugi, eine Koryphäe in der Alpen- und Gletscherforschung.

Als Obergeometer holte Etzel 1853 den Aarauer Ingenieur Leemann, der zuvor ein Gutachten für eine Schafmattbahn erstellt hatte, die Aarau zum zentralen Schweizer Bahnknoten machen sollte. Nun zur Entlastung von Olten nahm um 1890 der Aargauer Politiker und Unternehmer Olivier Zschokke die Idee einer Linie Sissach – Aarau via Oltingen wieder auf. Geometer Christen wurde dazu beigezogen. Zur Ausführung kam es nie, man bevorzugte den Bau eines Basistunnels durch den Hauenstein.

Offiziere

Christen titulierte Zschokke auch im Zivilleben mit «Herrn Oberst». In seinen Memoiren wimmelt es nur so von Offizieren. Dies beginnt 1844 mit Oberst Johannes Sulzberger, der als Leutnant in Frankreich dient, Instruktor in Liestal war und 1854–1856 als Oberst bei der British-Swiss Legion während des Krimkrieges weilte. Der Thurgauer Sulzberger, 1879 auf dem Friedhof Liestal begraben, hatte Jakob Christen 1844 brieflich eingeladen, eine Ausbildung zum Artillerieoffizier zu machen. Während seinen folgenden 31 Jahren als Milizler traf er unter anderem, auf:

Jacques von Blarer, allgemein «Vater Schaggi» genannt, der sich nach der Teilnahme an einem französischen Feldzug nach Spanien als Offizier in den Basler Wirren engagierte und dann populärer Baselbieter Truppenführer wurde.

Hans Ott, ein Zürcher Oberst der Kavallerie und Jurist, überredete Christen zum Besuch einer verrufenen Berner Beiz. Als (vielleicht auf einen Wink von Ott?) die Kellnerin die Bluse öffnete und die uniformierten Herren zum Betatschen aufforderte, blieb Christen standhaft, worauf er ausgelacht wurde.

Hans Wieland beeindruckte Christen durch dessen Einführung der Geländeübungen in der Armee. Vater August Heinrich war 1833 als Basler Major an der Hülften gefallen.

Bernhard Hammer lernte Christen bei einem Manöver am Luziensteig kennen. Er war 1875–1890 im Bundesrat, wo er als Finanzminister den Militärpflichtersatz einführte.

Hans Herzog war Christen freundschaftlich verbunden. Unter seinem Kommando errichtete er 1856/57 in Rheinfelden zwei Schanzen zum Schutz gegen die Preussen. Während des deutsch-französischen Krieges (1870/71) war er General.

Pädagogen und Flugpioniere

Unter den vielen Namen seien noch wenige angetippt. So Friedrich Nüsperli, Initiant der Baselbieter Heimatkunden von 1863, bei dem Christen 1845 die Diplomprüfung zum Geometer abgelegt hatte. Und so der Pädagoge Johannes Kettiger, der nach dem 2. Freischarenzug Christen half, die Kanonen im Liestaler Zeughaus zu versorgen. Erwähnt sei aber auch noch die Teilnahme des greisen Christen an den Schaufliegen (1912–14) auf der St-Jakob-Matte, wo sich Flugpioniere wie Oskar Bider, Theodor Real, Grandjean, Kinnerling und Theodor Borrer präsentierten und der letztgenannte auf dem Schänzli tödlich abstürzte. Und denken wir an die Gastflüge des Luftschiffers Eduard Spelterini (1891) und die Vorbeiflüge von Graf Zeppelin (1908 und 1914), die Christen mit grossem Interesse – zuletzt vom Fenster aus – beobachtete.

Trinkfreudige

Beschliessen wir dieses «Who’s who» mit einer Episode, die Christen mit seinem Lohnherrn Major Alioth, Arlesheimer Guts- und Rebenbesitzer sowie Eigentümer der Schappefabrik, hatte. Zu sechst fuhren sie am 6. Juli 1875 nach Rheinweiler im Grossherzogtum Baden, um dort bei General von Rotteck dessen neue Weintrotte zu besichtigen. Als der Gastgeber nur aus einem einzigen Schoppenglas rundum den Markgräfler kosten liess, lud Alioth den Verwalter des Generals a. D. zum Mittagessen ins Dorfwirtshaus aus und zeigte, «dass wir anderst trinken können als zu sechst einen Schoppen.»

Was für ein Leben! Gedenkveranstaltung zu Johann Jakob Christen – Geometer, Regierungsrat, Industrieller. Wortbeiträge und Musik aus Christens Flötenbuch (1835) und von der «Streichorchestergesellschaft 1870 Arlesheim». In der Stadtkirche Liestal, Sonntag, 17. August 2025, 15 Uhr. Kollekte.

Sonderheft der «Baselbieter Heimatblätter» 3/2025. Lebensbild von J. J. Christen, bearbeitet von Fritz und Annerose Krey/ Dominik Wunderlin. Illustriert, 56 Seiten, 15 Franken.

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