Welthunger beenden mit Biolandbau
Ökologie Hans Rudolf Herren, Träger des «alternativen Nobelpreises», referierte am Gymnasium Liestal

Kaum ein Thema bewegt die Jugendlichen momentan mehr als der Klimawandel. Nicht direkt ums Klima, aber um ein verwandtes Thema, die Welternährung, ging es letzte Woche an einer Veranstaltung am Gymnasium Liestal: Hans Rudolf Herren, Träger des «alternativen Nobelpreises» (Right Livelihood Award), referierte über die Zusammenhänge von Hunger, CO2, Bodenübernutzung und ökologischer Landwirtschaft.
«Es wäre vermessen, zu versuchen, in der Schule eine Lösung zu finden, aber es ist wichtig, Lösungsansätze zu diskutieren», eröffnete Johannes Hoffner, Chemielehrer am Gym Liestal und Co-Leiter des Kurses «Welternährung», den Anlass. Er forderte die Schülerinnen und Schüler auf, sich nicht mit Offensichtlichem zufriedenzugeben, sondern nachzufragen, zu «bohren». Was sie auch taten: Die Fragen nach dem Referat wollten gar nicht mehr enden.
Monokulturen schaden der Erde
Hans Rudolf Herren ist ein Pionier der biologischen Schädlingsbekämpfung und verhinderte in den 1980er-Jahren eine Hungersnot in Afrika, indem er die Maniok-Schmierlaus erfolgreich mit Schlupfwespen bekämpfte. Seine These: Die konventionelle, auf Monokulturen ausgerichtete Landwirtschaft mit chemischem Dünger und Pestiziden schadet der Umwelt und den Menschen. Will die Menschheit den Hunger beenden und die Ernährung sichern, muss sie auf ökologische Landwirtschaft umsteigen. «Wir brauchen einen Paradigmenwechsel», betonte der vielfach preisgekrönte Wissenschaftler.
Unser Ernährungssystem sei extrem vom Klima abhängig; die konventionelle Landwirtschaft wiederum trage zum Klimawandel bei. «Wir müssen umstellen, damit wir nicht Teil des Problems sind, sondern Teil der Lösung», findet der in Kalifornien lebende Schweizer.
In seinem Referat bombardierte er die Schülerinnen und Schüler mit Fakten, Zahlen und Diagrammen, aber auch mit vielen Fotos: ausgetrocknete, vergiftete, erodierte oder von schweren Maschinen verdichtete Böden auf der einen Seite; grüne, vielfältige, lokale Bio-Projekte, die den beteiligten Menschen ermöglichen, sich selber zu ernähren, auf der anderen Seite.
Genug Nahrung für alle
Wir würden eigentlich genug Nahrungsmittel produzieren, um zehn Milliarden Menschen zu ernähren, also die Weltpopulation, mit der im Jahr 2050 gerechnet wird. Aber ein Drittel wird weggeworfen. «Der Zugang ist das Problem», so Hans Rudolf Herren. An manchen Orten gebe es zuviel, an andern Orten zuwenig Nahrung, und der Unterschied zwischen Arm und Reich werde in allen Ländern immer grösser. Zudem würden, speziell in Afrika, einheimische Produzenten mit Billigprodukten aus Industrieländern konkurrenziert, etwa mit Milchpulver oder Poulet-Abfällen, die in der Schweiz nicht gegessen würden.
Auch uns im Westen ist das herrschende Ernährungssystem nicht unbedingt zuträglich. Wir ernähren uns zu einem grossen Teil aus fünf bis sechs Rohstoffen aus Monokulturen, wie Weizen, Mais, Raps, die von Firmen tonnenweise aufgekauft, jahrelang gelagert und schliesslich stark verarbeitet werden. «So sollte das System nicht funktionieren», meint Herren.
Dabei nimmer er auch die Konsumenten selber in die Pflicht: «Niemand sagt, dass man kein Fleisch essen sollte, aber mit Mass.» Es gelte die heutige Ernährungspyramide – wenig Gemüse und Früchte, viel Fleisch – auf den Kopf zu stellen. «Der Planet kann es nicht vertragen, dass wir morgen noch so essen, diese Rechnung geht nicht auf.»
Biolandbau bindet CO2
Was Herren fordert, ist nicht etwa eine Rückkehr zu «Grossvaters Methoden». Die Landwirtschaft der Zukunft sei wissenschaftlich fundiert, Stichwort Permakultur, natürliche Kreisläufe, Agroökologie, Biolandbau. Die Lösung sei schon vorhanden und koste kein Geld: der Boden, der seine Nährstoffe selber aufbereite, Befruchtung durch Bienen, natürliche Schädlingsbekämpfung durch Nützlinge, ein natürlicher Wasserhaushalt. Während die heutige Landwirtschaft sehr viel CO2 produziere, würde Biolandbau sogar zusätzliches, durch fossile Brennstoffe freigesetztes CO2 wieder in den Boden binden.
Herren, der in mehreren ökologischen Institutionen einsitzt und die Stiftung Biovision für ökologische Entwicklung gegründet hat, ist überzeugt, dass sich mit Biolandbau fast genausogut produzieren lässt wie mit konventioneller Landwirtschaft. Nur acht Prozent würde die Einbusse betragen. «Man könnte ja auch Qualität fördern statt Quantität und leere Kalorien.»
Richtig spannend wurde es, als Hans Rudolf Herren von seiner Zeit in Afrika erzählte. Die Maniokpflanze, ein wichtiges Grundnahrungsmittel, war in den 1980ern nah am Aussterben, weil ein fremdes Insekt eingeschleppt worden war, die Schmierlaus. Auf der Suche nach ihrem Ursprungsland reiste er in ganz Mittel- und Südamerika herum, bis er das «Viech» gefunden hatte. Als die Schuldigen stellten sich Forscher aus Paraguay heraus. Sie hatten das Insekt während eines Projekts unabsichtlich nach Afrika gebracht.
In der Folge sammelte Herren alle Nützlinge in der Umgebung, die natürliche Feinde der Schmierlaus waren. Um nicht denselben Fehler zu begehen wie die Kollegen, brachte er sie zuerst nach London in Quarantäne und untersuchte sie ein Jahr lang mit seinem Team. Erst dann wurden die Nützlinge in Afrika ausgesetzt. Mit Erfolg: 20 Millionen Menschenleben konnten so gerettet werden. Die Kosten für das Projekt betrugen 20 Millionen Dollar, finanziert durch verschiedene Staaten und Institutionen – eine gute Investition.
Zurück zur Schweiz: Mit einem Drittel der heutigen Landwirtschaftssubventionen könnte die ganze Landwirtschaft auf «bio» umgestellt werden. Hans Rudolf Herren verspricht sich viele Vorteile davon: steigendes Bruttoinlandsprodukt, mehr Jobs (da mehr Leute auf dem Land gebraucht werden), bessere Ernährung, weniger Wassermangel, kleinerer «Footprint». Auf jeden Fall wäre das günstiger als teure Gentechnik und spezielle Pflanzenzüchtungen. «Bio kostet nichts, aber eben, man kann nichts verdienen damit …», so das Schlusswort.
Wahlkurs «Welternährung»
Der interdisziplinäre Kurs «Welternährung» (Wahlkurs oder Ergänzungsfach) wird am Gymnasium Liestal dieses Jahr zum ersten Mal durchgeführt. Geleitet wird er je zu einem Drittel von einem Chemie-, einem Biologie- und einem Wirtschaftslehrer, wobei immer alle drei anwesend sind, um Fragen zu beantworten, die über das Fachgebiet der Kollegen heraus gehen.
Laut Tobias Schindelholz, Wirtschaftslehrer, werden unterschiedlichste Themen behandelt: von Handelstheorie über Schweinemast, vegetarische/vegane Ernährungsformen, Foodwaste, Ernährungssicherheit bis zu Böden und Stickstoff-Dünger. Die 22 teilnehmenden Schülerinnen und Schüler seien sehr engagiert. Es habe sich eine Dynamik ergeben, die auch für die Lehrpersonen bereichernd sei. Der Erfolg des Kurses habe auch mit der Aktualität der Themen zu tun: «Wir haben es ideal getroffen mit diesem Kurs», stellt Tobias Schindelholz fest. Es sei bereits beschlossen, dass der Kurs auch im nächsten Jahr stattfinden werde.