Ein verschollener Überlebenskünstler

Sissach Eine abenteuerliche Reise mit Onkel Barbarossa nach Abessinien

Dass Hanspeter Gsell Geschichten erzählen kann, bewies er mit seinen Büchern schon mehrfach. Gastronomische Themen und Tourismus gehören zu seinen Schwerpunkten. Das ist nicht verwunderlich, denn geschäftlich und privat bereiste er schon viele Länder in nah und fern. Mit seiner tiefen Stimme bringt er Prägnanz in seine Erzählungen und die Zuhörer sind gespannt auf das, was kommt. Zwischendurch schweift er ab, wenn ihm etwas Interessantes in den Sinn kommt. Er streut eine kurze Anekdote ein oder erklärt etwas noch genauer. Nie aber verliert er den Faden. Mit seinem neusten Buch «Wo die Kühe Hüte tragen» wagte er sich erstmals an eine Erzählung, die schon aufgeschrieben wurde. Sie stammt von seinem Uronkel Fritz Kaufmann und Gsell schrieb sie um in heutige Worte.

Für die Openair-Buchvernissage war am heissen Sommerabend ein Bauernhof oberhalb von Sissach ideal. Ein angenehmer Wind kühlte und machte es den 30 Besuchern deutlich angenehmer. «Um halb elf erscheint dann noch der Vollmond hinter dem Haus», sagte Gsell für alle, die dann noch da sind.

Das ursprüngliche Buch von Onkel Fritz wurde als Schmarren bezeichnet. Er schrieb von barbusigen Frauen in Afrika und seine Sätze konnten ganze Seiten füllen. Heute schreibt man anders. Gsell machte aus dem mühsamen Text einen kürzeren und verständlicheren, passte auch die Satzlänge an und ergänzte. So entstand ein überarbeitetes Werk von 300 Seiten.

Schon die Geburt von Fritz im Winter 1892 stand unter keinem guten Stern. Einiges lief schief, was angesichts der Alkoholfahne des Viehdoktors Tschümperlin nicht verwunderlich war. Anschliessend ging er in die Beiz. Da im Dorf nicht viel los war, wurde die Geburt umso heftiger gefeiert. Fritz hatte noch etwa zehn Geschwister. Er war ein Sonderling und hatte auch ebensolche Ideen. Er versuchte den Muni der Mutter zu dressieren, was natürlich unmöglich war und nur Schaden anrichtete. Mit 15 verliess Vogelhirni, wie ihn sein Vater nannte, die Schule. Er wurde Koch und erfuhr erst, als er keinen Lohn erhielt, dass er die Schulden des Vaters abarbeiten musste. Ein Jahr später rief die Rekrutenschule, wo es ihn wieder in die Küche verschlug.

Abenteuerliche Reise nach Afrika

Sein Onkel Barbarossa Kaufmann nahm den jungen Fritz mit nach Afrika, wo dieser angeblich am Kaiserhof eine Anstellung hatte. Aber schon in Marseille verpasste der Jüngling das Schiff, weil er das Nachtleben zu stark genoss. Über lange Umwege auf der Yacht von Betty Blue und mit Zigeunern schaffte er schliesslich doch noch den Weg nach Afrika. Wo er damals mit langen Karawanen reiste, führt heute eine vierspurige Autobahn zum Ziel.

Wie sein Onkel schlängelte er sich durchs Leben und überstand eine Seuche, welche die Einheimischen auf Befehl von Kaiser Menelik durch Beten erfolgreich bekämpften. Mit 19 wurde er Vater einer Tochter. Beruflich verschlug es ihn zur Eisenbahn, wo er als Trasseebauer begann und sich schliesslich zum Zugführer und Lokomotivführer hocharbeitete. Auch dort zeichnete er sich als Überlebenskünstler aus, da es immer wieder schwere Unfälle gab. Mit Ausbruch des Krieges am 28. Juni 1914 wurde Fritz nach Europa abgeschoben. In der Schweiz landete er wieder in der Kaserne Thun, wo er von seinem altbekannten Oberst Zünsel als der ehemalige «Kartoffelschnitzer» erkannt wurde. 1957 wurde das Buch von Fritz von einem Zürcher Verlag veröffentlicht. Bis dahin und auch danach gibt es keine Hinweise mehr zum Älpler, Bergler und Weltenbummler Fritz Kaufmann.

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