Erinnerungen mit der Regionale 23

Liestal «Mnemosyne» in der Kunsthalle Palazzo

Pierre Fraenkel: Mutus Phalangide, 2022. Fotos: A. Jegge

Pierre Fraenkel: Mutus Phalangide, 2022. Fotos: A. Jegge

Camille Fischer: To slide gracefully into the big dream, 2022.

Camille Fischer: To slide gracefully into the big dream, 2022.

Christine Camenisch und Johannes Vetsch, Vorbeiziehen, Videoinstallation an der Decke des Raumes, 2022.

Christine Camenisch und Johannes Vetsch, Vorbeiziehen, Videoinstallation an der Decke des Raumes, 2022.

Fremd klingt er, der übergeordnete Name der diesjährigen Regionale. Mnemosyne ist einerseits die Göttin der Erinnerung, die mit Zeus die neun Musen zeugte, die Personifizierungen der neun freien Künste in der Antike. Dann ist der Begriff auch Name eines kulturhistorischen Projekts des Hamburger Kultur- und Kunsthistorikers Aby Warburg, das ein Katalog von Bildmotiven werden sollte, die von Anbeginn der Menschheit bis heute gelten und festzuhalten versuchen, was in Bildform die Menschheit künstlerisch umtreibt. Warburgs unvollendetes Werk ist für die Beschäftigung mit Kunst heute unerlässlich. Weshalb nun dieser Exkurs?

Die von Michael Babics und Olivia Jenni kuratierte Regionale 23 im Palazzo in Liestal setzt mehr bei Warburg ein als in der Antike. Direkt daran erinnert wird man nach dem Aufgang im Palazzo durch die Installation der Strassburger Camille Fischer: «To slide gracefully into the big dream». Es erwartet uns eine Arbeit bestehend aus Zeichnungen verschiedenster Technik, die über die ganze Wand verteilt sind. Zuerst scheint die Anordnung zufällig und willkürlich, doch die unterschiedlichsten Verweise untereinander erzählen eine Geschichte, die jede Beobachterin, jeder Beobachter in eigener Version erlebt, sich erinnert.

Wie immer arbeiten viele Künstlerinnen und Künstler mit dem Ausstellungsraum. Manche Objekte wurden erst vor Ort erzeugt. Oder sie entstehen aus Fundstücken. Paula Santomé sammelte kleine Bruchstücke und Fragmente, die bei einer früheren Ausstellung zufällig anfielen. Im Palazzo hat sie diese Teile in einen fast archäologischen Kontext gebracht, der wiederum die Erinnerung an die frühere Ausstellung erzeugen kann. «Dancing Ghosts» heisst diese Erinnerungsarbeit.

Imponierend dann die vier Meter hohe Spinnenskulptur des Elsässers Pierre Fraenkel. Die den ganzen Raum ein-nehmende Arbeit hat Oberkörper und Kopf einer Frau, die mit einem Hirschgeweih gekrönt ist. Der Rest, die acht Beine und der Abdomen, sind mit gestickten Teppichen und Bildfragmenten förmlich eingepackt. Wir sehen Motive aus der ganzen Kunstgeschichte, die aber eher an Bastelaufgaben im Stil von «Sticken nach Zahlen» erinnern. Die Spinne ist durch ihre Grösse einerseits bedrohlich, anderseits fordert sie auf, ihre ikonografischen Verweise auf den Beinen aufzulösen, wozu die eigene Erinnerung die Themen liefert.

Dieser Bericht erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit, sondern soll lediglich als Appetizer zu einem Ausstellungsbesuch dienen. Man bekommt wie immer einen kurzen Überblick über das Schaffen der hiesigen Künstlerinnen und Künstler, in 18 verschiedenen Institutionen der Region Basel und des trinationalen Raums. Ausgestellt sind im Palazzo Arbeiten von Wenzel Maria Binder, Janik Bürgin, Sibilla Caflisch, Christine Camenisch und Johannes Vetsch, Camille Fischer, Pierre Fraenkel, Claudia Gutiérrez Marfull, Sven Hoppler, Zoé Joliclercq, Max Leiss, Protoplast, Paula Santomé und R. Sebastian Schachinger. Auch diese Regionale ist in der Kunsthalle Palazzo gut aufgehoben und präsentiert, es ist eine feine Ausstellung, die es lohnt, zu besuchen.

Zum ersten Mal wurde ein digitaler Ausstellungsguide angefertigt, der es erlaubt, die Ausstellungstexte zu den Arbeiten auf über 50 Sprachen auf dem Handy zu hören. Auch sei auf das umfassende Begleitprogramm hingewiesen, das über die Homepage des Kulturhauses Palazzo abgefragt werden kann. www.palazzo.ch

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