Mehr als nur die Grenzen abschreiten
Liestal Am Banntag wird wie immer gefeiert, gelobt, aber auch getadelt
Wie allewyl am Montag vor Auffahrt: Es knallt, raucht, trommelt und pfeift im Stedtli. Die wieder intakte Uhr am Törli steht auf viertel vor acht. Zeit also, den höchsten Liestaler Feiertag mit der über 500-jährigen Glocke im Dachreiter des Törlis einzuläuten. Die Rathausstrasse ist vollgestopft mit Männern, die in Wanderausrüstung mit Stock und Hut sich in die Startzone einer der vier Rotten einzureihen versuchen. Unter den über 1000 Banntäglern ist nebst der Vorfreude auf diesen «heiligen» Tag – der eigentlich letzten hiesigen Männerbastion – auch eine gewisse Spannung und Melancholie auszumachen.
«Wird diese verschworene Gemeinschaft den uralten Brauch des Bannumgangs auch wieder so traditionell und feierlich ausleben können?» Mit dieser Frage im Notizblock reihte sich der Berichterstatter der ObZ – seit Jahren als Gast vom Ärdbeerihübel – im Pulk der 3. Rotte ein. Unverkennbar auch der Kitt der typischen Männerfreundschaften bereits bei den vielen herzlichen Begrüssungsszenen: «Scho lang nümme gseh, e schöne Banntag gäll!»
Und das sei bereits im Voraus gesagt: Der Banntag 2025 hat auch in seiner 618. Auflage nichts von seinen so geliebten Traditionen und Emotionen eingebüsst. Dafür sorgte mitunter Rottenchef Domenic Schneider, der seine rund 200 Mannen unbeschadet auf der Seltisberg-Route über Sichtern, die steile Talflanke hinab ins Oristal und dann zum Znünihalt den giftigen Aufstieg hinauf auf den Rastplatz «Uf Berg» führte. Auf glitschigen Wegen und bei ständigem Nieselregen ging das ganz zünftig in die Knochen.
«European Banntags Contest»
Was sich indes unter Znünihalt als simple Verpflegung der hungrigen Wanderer anhört, ist feierlich eingebettet in ein protokollarisches Zeremoniell mit viel Pathos. Das beginnt mit dem Verzehr des Banntagsschüblig, herunter gespült mit gespritztem Weissen aus dem Vier-Deziliter-Muff. Dabei steigt proportional zum Sättigungsgrad an Tranksame auch der Stimmungspegel. Tiefschürfende Diskussionen, ein träfer Spruch zu jenem, ein kleines Witzchen zum andern, allerlei Bla-Bla, viel Gelächter – am Banntag darf man(n) eben etwas mehr herum tratschen, was sonst tabu ist.
Viel zu lachen, aber auch zum Nachdenken gab sodann die Rede des Rottenchefs. Und da war unüberhörbar: Es geht am Banntag nicht nur um das Abschreiten der Grenze. Nein, man macht sich insbesondere Gedanken zum Allgemeinwohl und zum politischen Geschehen. Und da ist es Domenic Schneider gut gelungen, allerlei Liestaler Ungereimtheiten und Planungssünden – in dezentem Humor verpackt – «beim Namen» zu nennen. Der Riesenapplaus aus der Menge zeigte, dass seine Sticheleien etwa zu den neuen Bahnhofunterführungen oder zum Wasserrohrbruch an der Büchelistrasse das Volk wirklich bewegen.
Abschliessend bezeichnet Schneider den Banntag als Ratgeber, der aufzeige, wie es eigentlich gehen sollte auf dieser Welt. Dieser alte Brauch sei nämlich Symbol für Orientierung, Austausch, Begegnungen, Beständigkeit, Zuhören und Mitmachen. In seiner Begeisterung für den alljährlichen Grenzmarsch hat sodann der Basler alt Regierungsrat Carlo Conti von der Kiste herab vorgeschlagen, einen EBC («European Banntags Contest») ins Leben zu rufen. BLKB-CEO Jon Häfelfinger doppelte nach und anerbot seine Bank als Sponsor sämtlicher Muffs. Giftiger Pfeil nach Basel dann vom Baselbieter Finanzdirektor Toni Lauber: «Einmal mehr eine gute Idee – ob sie dann auch funktioniert?» Mir wei luege …