Mit Schreiben Negatives in Positives transformieren

Liestal Zoë Jenny recherchierte in der Vergangenheit

Zoë Jenny las im DISTL.Foto: B. Eglin
Zoë Jenny las im DISTL.Foto: B. Eglin

Liestal Zoë Jenny recherchierte in der Vergangenheit

Die Besucher des DISTL kamen in den Genuss einer Doppellesung der Schweizer Schriftstellerin Zoë Jenny. Ihr neuster Roman ist noch in Bearbeitung und sie las ihr erstes Kapitel. Im Buch «Die Nachtmaschine», das sie zusammen mit ihrem Bruder Caspar schrieb, geht es um das Leben ihres Vaters. «Das Schreiben einer Biographie ist gegen das ultimative Vergessen vorzugehen», sagte Jenny. Für ihre beiden Bücher brauchte es umfassende historische Recherchen.

In der «Nachmaschine» wird über Jennys Vater erzählt, der immer schwächer wurde. Zuerst waren es noch 10000 Schritte pro Tag, später nur noch wenige zu Hause. «In ein paar Tagen wird das alles zur Asche», sagte er. Der Vater wollte keine Todesanzeigen und keine grosse Beerdigung, nur, dass seine Asche zusammen mit der von seiner Frau in den Rhein gestreut wird. Er liebte es, wenn ihm vorgelesen wurde. Und so verbrachte sie viele Stunden mit ihm. Er wollte aber auch gerne seine Ruhe und so lange wie möglich in seiner Wohnung bleiben. «Niemals hätte mein Vater ein Buch weggeworfen. Er nahm alle mit, die er auf der Strasse finden konnte.»

Erst beim Schreiben fielen Jenny viele Fragen ein, die sie ihrem Vater hätte stellen können. Als er schwerkrank war, gab es andere Schwerpunkte.

«Es war eine Stadt». Damit ist Basel um 1939 gemeint und der Titel des Buches, an dem Jenny schreibt. In dieser Nacht sollen die Basler den Winter vertreiben. Die Cliquen besammeln sich und um Punkt 4 Uhr gehen die Lichter aus. Maya erinnert sich an den schönsten Moment ihrer Kindheit. Zum ersten und letzten Mal durfte sie auf den Schultern ihres Vaters, der Arzt war, sitzen. Sie bewundert ihren Vater, da er «alles kann, wie Gott». Solche Momente waren selten. Es herrschte Strenge. Der Vater fällte ein hartes Verdikt, als ihre deutsche Haushälterin Frieda von einer Splitterbombe tödlich verletzt wurde und ihr uneheliches Kind Elsie zurückliess. Sie war Mayas Freundin.

Im Roman kommt viel Historisches vor und Jenny hat noch viel von ihrem recherchierten Material übrig. Das Vorlesen war ein Experiment, um zu sehen, wie der Text ankommt. Den Besuchern gefiel es.

«Schreiben ist gegen das Vergessen anzugehen. Mir ist die Gegenwart manchmal zu laut», sagte Jenny. Literarisches Material braucht Zeit und Distanz. Das hat viel mit Geduld zu tun. Wie arbeitet man als Schriftstellerin? Ihr Vater brauchte nicht viel Schlaf. Da er als alleinerziehender Vater tagsüber für die Kinder da sein musste, arbeitete er oft nachts in seinem Verlag. Er hatte in der Waschküche eine Druckmaschine und druckte die Bücher selbst. Deshalb der Verlagsname «Nachtmaschine». Sie reisten viel. Der Vater war chaotisch und unkonventionell. Zoë versucht, Ordnung in ihr Leben reinzubringen, indem sie Bücher schreibt. Sie arbeitet ausschliesslich im Bett, in liegender Position. In der Nacht träumt sie viel und schreibt am Morgen aus dem Traum heraus. Auch Spaziergänge mit Tagträumen liefern ihr Material.

Sie beschäftigt sich mit einem dunklen Kapitel der Schweiz. Frauen, die uneheliche Kinder hatten, wurden diese weggenommen und weitergegeben oder nach Amerika verkauft.

Als Kind hatte Zoë Nachtterror. Vor dem Einschlafen schreckt man auf wegen einem Albtraum und schreit. Mit sieben Jahren schrieb sie ein Gedicht und legte es ihrem Vater hin. Sie hatte Angst in der Schule. Er erkannte die Ängste und nahm seine Tochter aus der Schule. So stellte sie fest, dass man mit Schreiben etwas bewirken kann. Heute kann sie mit Schreiben Negatives in Positives transformieren.

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